Wie lassen sich Erinnerungen an die jüngere Generation weitergeben? Wie vermittelt man Jugendlichen das Wissen um Krieg und Holocaust? Wie sensibilisiert man sie für die Gefahren des Totalitarismus, ohne selbst zu moralisieren oder falsche Betroffenheit einzufordern?
Konkret wird Geschichte, wenn sie an die Lebenswirklichkeit der Jüngeren andocken kann. Wenn es um Biografien aus der eigenen Familie oder Orte aus der Nachbarschaft geht – wie etwa bei den Stolpersteinen, die als dezentrale Mahnmale im Miniaturformat im Gehweg an einzelne Schicksale erinnern.
In Hannover gibt es viele Orte der Erinnerung. Nahe der „Menschenpaar“-Skulptur am Maschsee erinnert beispielsweise eine Tafel an die Bücherverbrennung. Am Ballhofplatz erklärt eine Tafel, dass hier einst die Hitlerjugend ihr Domizil hatte. Und im Altwarmbüchener Moor hält eine kleine Gedenkstätte die Erinnerung an die verschleppten und ermordeten Sinti und Roma wach. Wir stellen fünf Orte vor, an denen die Vergangenheit in besonderer Weise lebendig wird – und deren Besuch sich gerade für Jüngere lohnt.
Es ist weder Museum noch Gedenkstätte: Das Zeitzentrum Zivilcourage, eröffnet 2021 in den früheren Räumen der VHS am Friedrichswall, versteht sich als interaktiver Lernort (nicht nur) für Schulen, der die NS-Zeit aus lokaler Perspektive veranschaulicht.
Besonders Jugendliche können hier 45 Biografien von Menschen aus Hannover erforschen – von Tätern, Opfern und Mitläufern. Immer wieder können sie sich dabei fragen, wie sie selbst sich in bestimmten Situationen verhalten hätten. Und sie lernen, was Geschichte mit unserer Demokratie zu tun hat.
Für individuelle Besuche steht das „ZZZ“ freitags von 14 bis 18 Uhr sowie sonnabends von 10 bis 18 Uhr offen, für Gruppen nach Vereinbarung unter (0511) 16833360.
Lange war dieses Kapitel der Geschichte kaum präsent. Doch auch in Hannover gab es sieben Konzentrationslager; im Februar 1945 befanden sich dort etwa 6000 Häftlinge.
Bereits vor Jahren hat ein engagierter Arbeitskreis ein Mahnmal für das KZ Ahlem errichtet. Seit 2022 gibt es auf dem früheren Lagergelände auch einen 650 Meter langen Rundweg. Mit historischen Fotos und Texten informieren 24 Tafeln über die Geschichte des Ortes. Eiserne Stelen veranschaulichen, wo der Lagerzaun verlief. Ein Besuch hier ist ebenso beklemmend wie lehrreich.
Der Rundweg beginnt am Stichweg Am Mahnmal nahe der Petit-Couronne-Straße. Er steht ebenso für individuelle Besuche wie auch Schulklassen offen.
Errichtet wurden die Gebäude 1893 als israelitische Gartenbauschule. Später missbrauchten die Nazis die Anlage als Sammelstelle für Deportationen und als Hinrichtungsstätte.
Heute ist die Gedenkstätte Ahlem eine Bildungseinrichtung der Region Hannover. Eine bewegende Ausstellung erinnert – ebenso wie verschiedene Stationen auf dem Gelände – an die Verbrechen der NS-Zeit. Neben Führungen gibt es hier eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen und pädagogische Angebote auch für Schulklassen.
Die Gedenkstätte in der Heisterbergallee 10 ist wegen eines Hochwasserschadens derzeit noch geschlossen. Informationen gibt es unter (0511) 61623745 oder per E-Mail an gedenkstaette@region-hannover.de.
Altbundespräsident Christian Wulff nannte das Haus einen „Leuchtturm jüdischer Kultur“. Um 1906 ließ der legendäre jüdische Conti-Direktor Siegmund Seligmann die Villa Seligmann als repräsentatives Familiendomizil erbauen. Seit 2012 ist die Villa ein Haus für jüdische Musik.
Konzerte, Ausstellungen und Veranstaltungen halten nicht nur die Erinnerung an den Holocaust wach. Sie zeigen auch, wie vital und vielfältig jüdisches Leben heute ist – allem Antisemitismus zum Trotz.
Mehr über das Programm der Villa Seligmann, Hohenzollernstraße 39, gibt es unter www.villa-seligmann.de.
Der Künstler Michelangelo Pistoletto hat das Mahnmal auf dem Opernplatz als angedeutete Pyramide kreiert. Darauf sind rund 2000 Namen von jüdischen NS-Opfern aus Hannover verzeichnet – schon die bloße Fülle ist überwältigend.
Das Mahnmal ist ein guter Startpunkt für einen der virtuellen Stadtrundgänge zu Verfolgung und Widerstand, welche die Website www.zukunft-heisst-erinnern.de präsentiert. Mit Tablet oder Smartphone in der Hand lassen sich dabei zahlreiche Stationen anhand von interaktiven Karten, historischen Fotos und Informationstexten erkunden. Jede Tour umfasst etwa zehn Orte und dauert gut anderthalb Stunden.
Speziell an junge Menschen richtet sich auch die Website www.ns-zeit-hannover.de, auf der kurze Filme beispielsweise von der Hitlerjugend oder dem Aufstieg der Nazis in Hannover berichten – und so ein Stück Vergangenheit in die Gegenwart holen.