Mehr als jedes sechste Kind im Vorschulalter hat demzufolge einen hohen oder sogar sehr hohen Sprachförderbedarf. 18,5 Prozent der Kinder – so viele wie nie – konnten bei einem Sprachtest Präpositionen und den Plural nicht richtig anwenden. Konkret bedeutet das: 2235 von 12.083 getesteten Kindern waren förder- oder therapiebedürftig. Zum Vergleich: Im Schuljahrgang 2018/19 waren dies noch lediglich 1308 von 10.550 Vorschulkindern. Das entsprach 12,4 Prozent. Die Gründe sind laut Andrea Wünsch, Leiterin des Teams Sozialpädiatrie und Jugendmedizin bei der Region Hannover, vielschichtig. Die Folgen der Corona-Pandemie spielten eine Rolle, die Tatsache, dass durch die Ukraine-Krise mehr Kinder ohne Deutschkenntnisse in der Region lebten. Erhöhter Medienkonsum steigere das Risiko einer Sprachauffälligkeit erwiesenermaßen, vor allem, wenn dem Kind selten oder nie vorgelesen werde. Die Region Hannover als Kommunalverband führt deutschlandweit die meisten Schuleingangsuntersuchungen in einem Jahrgang durch, was als richtungsweisend gilt.
Besorgniserregend ist überdies: Parallel zu dieser Entwicklung bricht offenbar ein Teil der Sprachförderung weg. 23 sogenannte Sprachkitas gab es im Zuständigkeitsbereich der Regionsverwaltung bis Mitte 2023. Sie sind mit einer zusätzlichen 19,5-Stunden-Fachkraft und pädagogisch-wissenschaftlicher Begleitung ausgestattet. 13 Sprachkitas gaben nach Jahresmitte auf. Grund ist offenbar das Auslaufen eines Bundesprogramms zur Förderung von Sprachkitas Mitte 2023. Das Land Niedersachsen hatte zwar nach heftiger Kritik am Bund versprochen, die Zukunft der niedersächsischen Sprachkitas dauerhaft zu sichern. Ein verzögerter Start der Landesförderung ohne Überbrückungshilfen, hohe Hürden bei der Qualifikation der benötigten Fachkraft und eine zugesicherte Finanzierung zunächst nur bis 2025 führten nach Angabe von Florian Dallmann, Leiter des Teams Tagesbetreuung für Kinder, aber dazu, dass aktuell nur zehn Sprachkitas im Rahmen der Ersatzrichtlinie des Landes weiterarbeiten.
Gerade angesichts der kontinuierlich steigenden Zahlen von Kindern mit Sprachproblemen sei es eine katastrophale Entscheidung der Bundesregierung gewesen, die Finanzierung für die Sprachkitas einzustellen, sagte Regionspräsident Steffen Krach (SPD) bei einer Pressekonferenz im Haus der Region. „Wir wollen nicht abwarten, bis andere handeln, sondern als Region einspringen – auch über die eigene Zuständigkeit hinaus.“ Fünf Bausteine hat die neue Sprachförderinitiative. So soll nach Angaben von Regionssozialdezernentin Andrea Hanke die Zahl der ausgebildeten dezentralen Sprachförderkräfte bis 2027 deutlich erhöht werden. Bei den Sprachkitas wolle die Region eine Art Bürgschaftsfunktion übernehmen und Personal und Angebote der Sprachkitas absichern, soweit dies nicht über das Land geschehe. „Diese Kompetenzen dürfen nicht verloren gehen“, sagte Hanke. Eingeplant für Sprachförderkräfte und Sprachkitas seien rund 1,3 Millionen Euro.
Eine verbesserte Ausstattung von Kitas mit Materialien zur Sprachförderung, neue digitale Verfahren zur Entlastung des Kita-Personals und Weiterbildungen lässt sich die Region weitere 1,9 Millionen Euro kosten.