Engagements im GOP-Varieté sind für Artisten immer eine langfristige Angelegenheit, die Truppe zieht mit einem Programm meist durch etliche der sieben Häuser zwischen München und Bremen. Für Hannover musste Regisseur Knut Gminder aber umdisponieren – das Moderatorenduo wurde neu zusammengestellt. Der Grund, warum es in manchen Momenten bei der Premiere auf der Bühne noch nicht so recht zündet zwischen Frau Bonse und Herrn Fachblatt, der sonst Teil des Comedyduos „The Lonely HusBand“ ist.
Frau Bonse begrüßt zum „bunten Abend“, sie kündigt „Glitter, Glanz und Grenzerfahrungen“ an. Was das Publikum bekommt, ist vor allem viel und gute Musik, denn Teile des Ensembles haben Talente jenseits von Körperbeherrschung und Kraft. Jongleur Andreas Jordan sitzt am Schlagzeug, Esther und Jonas Slanzi vom Duo „E1nz“ beherrschen Bass und Posaune. Sie unterstützen in vielen Momenten Bonse und Fachblatt, die sich an Gitarre und Piano durch Abba-Hits und die Siebzigerjahre klimpern, aber auch eine Hannover-Hymne singen („Du Perle an der A2“).
Das Duo untermalt musikalisch auch viele der Acts. Gina Sibila, die als Kind am Rhönrad turnte, zeichnet mit dem Cyr-Reifen poetische Figuren auf der Bühne. Veronica Fontanella hat erst 2020 ihre Ausbildung an der staatlichen Artistenschule Berlin beendet, doch ihre Handstand-Equilibristik ist so athletisch und ausdrucksstark, dass ein Raunen im Publikum zu hören ist. Das gilt auch für ihren Tanz mit dem Vertikaltuch – mit den beiden Stoffbahnen und ihrem Körper gelingt ihr das Pentagon, dass auch das „Handmade“-Plakat ziert. Jordan jongliert im Stil der Zwanzigerjahre mit Ringen, deren Flummifunktion nicht nur die Luft, sondern auch den Boden einbezieht.
Und dann ist da das Duo mit der eigenwilligen Schreibweise „E1nz“, das mit konventioneller Diabolo-Jonglage startet, aber dann die Sehgewohnheiten von erfahrenen Varietégästen herausfordert: Esther und Jonas Slanzi bringen als Accessoires einen Beutel Altglas mit. Bis zu acht leere Schampusflaschen schieben sie sich in irrer Geschwindigkeit auf einer Tischplatte zu, deren Neigungswinkel gefährlich zunimmt. Das ist Tempo, Action, Humor, maximale Geschicklichkeit – eine echt schräge Nummer, bei der das Publikum vergeblich auf das Klirren von zerbrochenem Glas wartet. Die man aber bei der nächsten WG-Party nicht ausprobieren sollte.
Und auch dieses Paar bringt die Zuschauerinnen und Zuschauer zum Staunen: Das Duo Prime aus der Ukraine ist in Sachen Partnerakrobatik eine Klasse für sich, hebelt die Gesetze der Schwerkraft scheinbar mühelos aus. Eine Nummer, die zu Recht den Schlusspunkt des Programms setzt. Dass die Show aber direkt nach dem frenetischen Applaus für Prime abrupt endet, ist schade. Und weckt die Sehnsucht nach dem roten Faden.
Die Show „Handmade“ läuft bis 7. Januar im GOP, Georgstraße 36, Karten gibt es unter Telefon (0511) 30186710 oder online unter www.variete.de.