An diesem Donnerstag, 24. August, bietet er Platz für ein Rednerpult und etliche Bierbänke. Mit einem Festakt und einem anschließenden Betriebsfest für die 900 Mitarbeitenden wird Eröffnung gefeiert – „ein historischer Meilenstein in der Geschichte des Theaters in Hannover“, so Falko Mohrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur. „Eine richtige Traumfabrik“ sei entstanden, so Schauspielintendantin Sonja Anders. Ihre Kollegin Sonja Berman von der Staatsoper sagte: „Der neue Werkstattkomplex trägt uns wie auf einer Welle in die Zukunft.“
„Ich bin schon vor Jahren durch dieses Gebäude gelaufen“, sagt Jürgen Braasch, Kaufmännischer Direktor des Staatstheaters und treibende Kraft des Neubaus. Geplant wurde digital. Erstmals bei einem öffentlichen Bauvorhaben in Niedersachsen kam die sogenannte BIM-Methode (Building Information Modeling) zum Einsatz, bei der ein digitaler Zwilling des Gebäudes erstellt wird, das man im virtuellen Raum durchschreiten kann. Das beugt Fehlplanungen vor.
Funktionalität stand an erster Stelle. Nackter Beton, Stahl und Holz dominieren als Oberflächen der Innenräume, aber symmetrisch angeordnet und als Gestaltungselemente. Bei der Fassade spricht Michel Ronczka, Geschäftsführer des ausführenden Architekturbüros BKSP aus Hannover, von einem „rhythmisierenden Trapezblech“, das wie Bühnenvorhang wirke. Unter dem Parkplatz befindet sich ein Regenrückhaltebecken. Im Fahrradschuppen eine Ladestation für E-Bikes. Das gesamte Gebäude ist behindertengerecht und barrierefrei.
Erste Planungen und Begehrlichkeiten für einen Neubau gab es schon in den 70er-Jahren. Doch erst 2017 ergriff das Land Niedersachsen die Chance, das ehemalige Tengelmann-Gelände neben dem Probenzentrum und Kulissenlager des Staatstheaters zu kaufen, und überließ es dem Staatstheater in Erbpacht. Zwischen 2020 und 2023 wurde gebaut. „Wir sind mit dem Bau in eine schwierige Zeit geraten mit explodierenden Baupreisen, der Corona-Pandemie und Lieferengpässen wegen des Ukraine-Krieges“, sagt Braasch. Etwa 38 Millionen Euro kostete das Gebäude letztlich. 26,5 Millionen kamen vom Land. Den Rest steuerte das Staatstheater bei.
Auch die bisherigen Werkstätten an der Maschstraße in Aegi-Nähe galten einmal als hochmodern, 1928, als sie in Betrieb genommen wurden, teils sogar als zukunftsweisend. Davon zeugt heute noch ein kurioses Detail an der Fassade. Ganz oben unter dem Dach befindet sich eine schmale hohe Tür. Hier wurden früher die Kulissen herausgefahren und per Seilzug abgesenkt, als Bühnenbilder noch größtenteils aus bemalten Leinwänden und Stoffbahnen bestanden.
Heutzutage kommen überwiegend ganz andere Werkstoffe zum Einsatz. Die hannoverschen Theaterwerkstätten verarbeiten jährlich etwa 75 Tonnen Stahl, 40.000 Meter Holzlatten und 10.500 Quadratmeter Plattenwerkstoffe: Sperrholz, Multiplex, Tischlerplatten ... Die Bühnenbilder des 21. Jahrhunderts sind weit aufwendiger geworden als die des frühen 20. – und schwerer.
Nicht nur deswegen ist der alte Standort in die Jahre gekommen. Der Kitt an den einfach verglasten Fenstern bröckelt dort ebenso wie der Putz an den Wänden. Der Platz – 3900 Quadratmeter in der Maschstraße, 1100 Quadratmeter im Altbau in Bornum – reichte hinten und vorne nicht mehr aus. Der Bau war so vollgestellt und verwinkelt, dass die Tischler jede Latte einzeln aus dem Holzlager schleppen mussten. „Alles, was angeliefert wurde, wurde per Hand abgeladen“, erzählt Braasch. „Es war klar, wir müssen da raus.“
In den neuen 10.900 Quadratmeter umfassenden Werkstätten geschieht das automatisch. Geschleppt werden muss nicht mehr. Allein in der Montagehalle gibt es 16 Kranzüge. Eine Maschine bewegt die Holzmassen zu Säge und Fräse. Ein unterirdisches Kanalsystem saugt die Späne ab. „Tischlern per Maus“, nannte das Nils Hojer, Leiter der Werkstätten, bei einer exklusiven Führung, die er und Braasch dieser Zeitung gaben, vor den Theaterferien und dem Umzug.
„Wir haben uns gefragt: Wie arbeitet eine Werkstatt im 21. Jahrhundert?“ An drei, vier Bühnenbildern gleichzeitig wurde immer schon gearbeitet. Jetzt geschieht das aber so flexibel wie nie zuvor. Sogar die Energiesäulen, die den Strom für die Werkzeuge liefern, sind absenkbar, damit die Räume so genutzt werden können, wie es die jeweiligen Bauteile verlangen. „Wir bauen nachhaltig, auch im Sinne einer Veränderbarkeit. Diese Halle ermöglicht alles“, sagt Braasch.
„Die Mitarbeiter wurden einbezogen“, sagt Hojer. „Sie konnten sich überlegen: Wie wäre es richtig gut?“ Eine Idee der Mitarbeitenden: Auch die Nähmaschinen in der Dekowerkstatt können auf Bodenhöhe abgesenkt werden. Das erleichtert den Umgang mit schweren Stoffbahnen enorm. Die gemütlichen Loungemöbel in der modernen Gemeinschaftsküche sind selbst entworfen und selbst gemacht. Die Profis sind ja vor Ort. „Wir waren selber Bauherr“, sagt Hojer. „Deswegen ist es so gut geworden.“
Der offensichtlichste Mehrwert ist die Montagehalle. Bislang mussten die Bühnenbilder in Einzelteilen in die Spielstätten transportiert und aufgebaut werden, um zu gucken, ob sie überhaupt passen. Dort konnte dann an dem Tag nicht gespielt werden. Jetzt lässt sich das unter realen Bedingungen direkt in Bornum überprüfen.
Würde Braasch heute etwas anders machen? „Wir mussten aus Kostengründen das Solardach streichen; das war so gewollt.“ Die Statik hätte zu viel Geld verschlungen. Jetzt ist im Keller eine Gasheizung eingebaut. Das hätte man nach Beginn des Ukraine-Krieges wohl anders geplant.
Im kommenden Jahr geht Braasch in den Ruhestand. Sind die Werkstätten sein Abschiedsgeschenk an das Staatstheater? Er wiegelt ab. „Nö. Ich habe ja noch ein Jahr. Jetzt geht es zum Beispiel um die Frage: Was machen wir mit den Flächen des ehemaligen Malsaals?“ Seine Vision ist es, dass bis 2042 alle Liegenschaften des Staatstheaters, die kein Spielort sind, in Bornum liegen. Es ist noch viel zu tun.