Am Donnerstagabend hat der Energiedienstleister am gegenüberliegenden Ihmeufer seine neue Konzernzentrale eröffnet. Der jahrzehntelang leuchtende Enercity-Schriftzug am Stadtwerke-Turm im Ihme-Zentrum ist da schon einige Wochen abgeschraubt.
36.100 Quadratmeter Bürofläche auf 20 Etagen hatte Enercity in dem Hochbau des Ihme-Zentrums belegt. Erst als Eigentümer, weil alle kommunalen Tochtergesellschaften helfen sollten, die Großimmobilie in schweren Zeiten zu finanzieren. Später als Mieter, weil die allgemeine Haltung war, dass solch ein Großkomplex am besten zu sanieren sei, wenn ein einzelner Großeigentümer über alle Gewerbeflächen verfügt. Man darf heute wohl sagen: Das war ein Trugschluss.
Wer heute durch die Sockelgeschosse des Ihme-Zentrums wandert, den beschleichen schnell Schauder. Überall sind Sanierungen angefangen, aber nicht zu Ende geführt. Ruinengleich wirkt der Ihmeplatz zwischen den vor Dreck starrenden Fenstern. Nichts in der Ihmepassage erinnert mehr daran, dass hier einst moderne Geschäfte waren. Das war in den Siebzigerjahren. Heute fühlen sich nur die Tauben noch wohl.
Im Frühsommer ist die Stadtverwaltung mit ihren letzten Fachbereichen ausgezogen. Und nun auch noch Enercity. Damit ist außer einer städtischen Kita, einer Kneipe, einem Kampfsportstudio und etwas Kleingewerbe nichts mehr geblieben, was Leben in die Sockelgeschosse bringt.
Hunderte Wohnungseigentümer haben jetzt über die Hausverwaltung einen Insolvenzantrag gegen die Firma des Haupteigentümers Lars Windhorst gestellt. Vier Jahre lang hatte der sie mit Versprechungen hingehalten.
Ein Insolvenzverfahren, wenn es denn gestartet wird, dürfte ebenfalls ein bis zwei Jahre dauern. „Es ist wie eine Zeitschleife, wie eine Platte mit Riss“, sagt Axel Brunngraber. Der Arzt wohnt seit fast 50 Jahren im Ihme-Zentrum. Er hat die Höhen und Tiefen mitbekommen und die angeblichen Investoren kommen und gehen sehen: erst Frank-Michael Engel, dann Carlyle, dann Intown und schließlich Windhorst.
Brunngraber ist ein optimistischer Mensch. „Das Ihme-Zentrum ist ,too big to fail‘, es ist zu groß, um es scheitern zu lassen“, sagt er. Manch einer der Wohnungseigentümer nehme es der Stadt übel, dass sie sich als Mieter zurückgezogen hat. „Die Stadtspitze hat die Kuscheldecke weggezogen“, sagt Brunngraber.
Gemeinsam mit weiteren Unterstützern will der 70-Jährige einige der Ideen fortführen, die die ehrenamtliche Zukunftswerkstatt für das Ihme-Zentrum entwickelt hat. Einen Neustart mit öffentlichem Sanierungsgeld und vielleicht lokalen Projektentwicklern, daran wollen sie arbeiten. „Es ist wichtig, dass die Bewohner dabei Mitspracherechte wahrnehmen“, sagt Brunngraber. Dafür wurde der „Runde Tisch rettet das Ihme-Zentrum“ gegründet.
Erst einmal aber wird wohl wieder Stillstand herrschen. Die Stadt will die Daumenschrauben gegenüber Spekulanten anziehen, damit es unattraktiv wird, nur weiter auf Leerstand und Verfall zu setzen. Und in Linden bleibt das Hoffen auf jemanden, der die Erneuerung des Ihme-Zentrums endlich ernsthaft anpackt.