Der rund 2,4 Tonnen schwere Wagen passte kaum durch die Pforten des ehemaligen Kaufhof-Gebäudes an der Schmiedestraße: „Wir mussten die Türgriffe abmontieren, um ihn hineinzubekommen“, sagt Horst-Dieter Görg vom Verein „Mobile Welten“, der die Ausstellung konzipiert hat. Der Oldtimer, eine Leihgabe aus dem Automuseum Melle, ist einer von 45.000 Wagen, die die „Detroit Electric Car Company“ bis 1939 verkaufte.
Solche Elektroautos waren bis etwa 1918 beliebter als Verbrenner. Sie galten als vergleichsweise einfach in der Handhabung. Mit Reichweiten von bis zu 100 Kilometern waren sie vor allem als Stadtwagen en vogue. Siemens baute um 1898 sogar Elektrobusse. „Und in London fuhren vor dem Ersten Weltkrieg massenhaft Taxis mit elektrischem Antrieb“, sagt Prof. Uwe Groth, Landesvorsitzender vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI), der die Ausstellung mit organisiert hat. „Erst die Lobbyarbeit der amerikanischen Mineralölkonzerne sorgte dafür, dass der Verbrennungsmotor sich durchsetzte.“
Die Technikgeschichte erscheint retrospektiv oft wie eine lange Gerade, die stracks auf den gegenwärtigen Stand der Dinge zuläuft. Dabei ist ihr Weg reich an Verzweigungen, Sackgassen – und gesäumt von menschengemachten Leitplanken. Mit einem Dutzend Autos und Zweirädern erinnert die Ausstellung im aufhof daran, dass Elektromobilität eine längere Tradition hat als oft vermutet – und dass Hannover dabei eine besondere Rolle spielte.
So ist im aufhof ein HAWA-Elektromobil EM3 zu sehen, das 1922 von der Hannoverschen Waggonfabrik in „Linden vor Hannover“ gebaut wurde – ein Jahrhundert vor der Produktion des ID.Buzz in Stöcken. Das HAWA-Mobil , das sein Domizil sonst im Historischen Museum hat, ist fahrbereit und zugelassen: „Es ist eines von nur zwei Exemplaren, die heute noch existieren“, sagt Görg, der das Schmuckstück einst einem Sammler in Australien abgeluchst hat.
Teuerstes Exponat der Ausstellung ist ein silbrig glänzender, flunderflacher VW XL-1E von 2016. Sein Versicherungswert liegt bei 111.000 Euro. Kurios mutet ein VW Golf „Citystromer“ von 1976 an. „Das Auto war auch eine Reaktion auf die Ölkrise“, sagt Görg. Volkswagen hatte damals einen gewöhnlichen Golf zum E-Auto umgebaut, mit gewaltigen Akkus im hinteren Sitzbereich und im Kofferraum.
Durchsetzen konnte sich der „Citystromer“ damals nicht. Ebenso wenig wie das E-Liegerad „Sinclair“: Der Unternehmer Clive Sinclair, der mit Taschenrechnern und Heimcomputern reich geworden war, wollte mit dem 12-Volt-Fahrzeug in den Achtzigern den städtischen Nahverkehr revolutionieren. „Ganz London sollte mit ‚Sinclairs‘ fahren“, sagt Groth. Nach dem Bau von 17.000 Liegerädern war Sinclairs Firma allerdings zahlungsunfähig. Auch ein Hercules-Elektromofa – im aufhof ist ein Exemplar von 1974 im knalligen Orangeton zu sehen – war kein Erfolgsmodell. Es wurden weniger als 1000 Stück davon produziert.
„Manche Entwicklungen sind ihrer Zeit einfach voraus“, sagt Prof. Martin Grotjahn, Vizepräsident der Hochschule Hannover. So habe sich auch der VW Lupo, der nur drei Liter verbrauchte, vor rund 20 Jahren am Markt nicht behaupten können: „Dafür war Benzin damals einfach zu billig“, sagt Grotjahn.
Es dauerte, bis Elektroantrieb gegenüber Verbrennungsmotoren an Boden gewann – und es brauchte dazu massive politische Unterstützung. Derzeit ist etwa jeder fünfte neu zugelassene Wagen in Deutschland ein Elektroauto, doch Fachleute vermuten, dass der Anteil wieder sinkt, wenn die staatliche Förderung im September ausläuft.
Besonders schnittig kommt in der Ausstellung ein Pegasus 19 daher. Die Hochschule Hannover hat den Rennwagen beigesteuert, mit dem das studentische Team „Campus Motorsport“ bei internationalen Rennen gestartet ist. Als Verbrenner ist er in dieser Ausstellung ein Exot. Und ein Auslaufmodell. Die Studierenden wollen von 2024 an elek-trisch starten.
Mit jener Antriebsart also, die vor mehr als 100 Jahren schon einmal völlig Usus war: „Die Zukunft“, sagt Uwe Groth, „hat in der Vergangenheit begonnen.“
Die Ausstellung „alternativ mobil“ ist im aufhof (Osterstraße 13, Eingang Schmiedestraße) bis zum 28. Oktober jeweils dienstags bis sonnabends von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Ein gleichnamiges Buch von Volker Christian Manz und Halwart Schrader (Olms Verlag, 440 Seiten, 68 Euro) zeichnet mit zahlreichen historischen Fotos die Geschichte der Elektromobilität nach.