Letzten Sonntag bin ich schlagartig alt geworden. Nein, ich hatte weder Geburtstag noch einen Bandscheibenvorfall. Ich war brunchen. Das allein wäre ja sehr nett. Mein Problem aber waren die Reize. Nicht die des vorzüglichen Buffets. Auch nicht die meiner Begleitung. Sondern die akustischen und optischen in dem Restaurant. Ich bin Opfer einer totalen Reizüberflutung geworden. Während ich genüsslich in mein - an diesem Tag sehr ungesund belegtes - Brötchen biss, sang Nena von 99 Luftballons und Bryan Adams beschwor den Summer of 69. Allerdings in einer Lautstärke, die es unmöglich machte, dass jeweils alle unserer 6er-Truppe am Tisch einem Gespräch folgen konnten, wenn nicht geschrieen wurde. Parallel dazu liefen im Fernseher an der Wand Musikvideos neueren Datums, die überhaupt nichts mit der Musik aus den Boxen zu tun hatten. Das ist etwas, was ich nun wirklich nicht verstehe. Aber kann ich wahrscheinlich auch nicht, weil ich ja offenbar zu alt dafür bin. Am Nachbartisch schaute ein kleiner Gast im Hochstühlchen begeistert und gebannt einer leicht bekleideten Dame im Musikvideo zu, die einer anderen leicht bekleideten Dame einen Stuhl über dem Kopf zerdepperte, während die Mutter des Kleinen aufs Handy schaute und Joachim Witt vom Goldenen Reiter sang. In diesem Tohuwabohu war ich völlig überfordert, als mich die Bedienung fragte, ob ich noch etwas trinken wolle. Ich bestellte „Verdamp lang her“ von BAP und fragte, ob sie „Diese Drombuschs“ auf Video hätten. Hatten sie nicht.Matthias Brodowy