Meinhof fordert „Innovationsbereitschaft und Offenheit für neue Verfahren“. Die Absolventin des Studiengangs Architektur mit dem Schwerpunkt Denkmalpflege will die Wasserstadtgebäude „zu einem Pilotprojekt machen. Die Gebäude sind nicht die einzigen in Deutschland, die mit Nitrosaminen belastet sind.“
Das bestätigt die auf den Umgang mit Altlasten spezialisierte Bielefelder Biologin Petra Günther. Sie kennt sich gut mit den Wasserstadt-Gebäuden aus. Günther war mit ihrem Institut an der Studie beteiligt, die die Stadt in Auftrag gegeben hatte. Die Expertin arbeitete dabei mit dem Architekten Sven Meinhof zusammen, dem Halbbruder von Leah. „Wir halten eine wohnbauliche Entwicklung und Gewährleistung gesunder Wohn- und Arbeitsverhältnisse bei Umsetzung des in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Meinhof entwickelten Maßnahmenkonzeptes für möglich“, betont Günther.
Dieses sah eine vierfache Sicherung aufgrund der Nitrosamine vor. Zunächst sollte das Gebäude bis auf die Außenmauern entkernt werden. In diesen seien „keine Gehalte an Nitrosaminen gemessen worden, die auf eine relevante Quelle in diesem Baumaterial schließen ließen“, erklärt Günther. Als zweiter Sicherungsschritt sollte ein Haus-in-Haus-Konzept umgesetzt werden, bei dem die Wohnungen Abstand zu den Außenwänden hätten.
Als dritte Sicherungsmaßnahme sollten diese von innen mit einer undurchlässigen Folie überklebt werden. „Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, wie unter diesen Bedingungen noch relevante Mengen Nitrosamine in die Wohnungen kommen könnten“, sagt die Biologin. Zumal – als vierter Sicherungsring – Messungen der Luft in den Wohnungen geplant waren.
Das Sozialministerium sah dennoch „Unsicherheiten bezüglich der Wirksamkeit potenzieller Sicherungsmaßnahmen“ und monierte zudem fehlende Möglichkeiten zur technischen Kontrolle durch Messungen. Laut Günther sind diese zwar anspruchsvoll, aber doch möglich. Dazu habe es erste Gespräche mit Laboren gegeben. Zur Einholung konkreter Angebote sei es aber gar nicht mehr gekommen. „Ich hätte mir gewünscht, dass man es nicht so schnell verworfen hätte, da ein Erhalt aus unserer Sicht möglich erschien“, sagt Günther.
Meinhof hat in ihrer Arbeit vorgeschlagen, so viel wie möglich vom Gebäude zu erhalten. Als Schutz vor den Nitrosaminen plant sie, eine bituminöse Folie mit Aluminiumkern aufzukleben. Diese sei „leicht zu verarbeiten und nicht teuer“, außerdem halte sie dauerhaft. Weil auch die heutigen Treppenhäuser genutzt werden sollen, werde eine „hohe Flächeneffizienz erreicht“.
Ihr schweben in dem großen, ehemaligen Produktionsgebäude am Wasser bis zu 130 bezahlbare Wohnungen mit Loggien vor. Je nach Bedarf soll es möglich sein, diese zu vergrößern oder zu verkleinern. In den angrenzenden Gebäudeteilen kann sich Meinhof ein Café, Ateliers, einen Kulturtreff sowie Bereiche vorstellen, in denen an die wechselvolle Geschichte des Conti-Standorts in Limmer erinnert wird. Auch Co-Working sei in den Bauten möglich. „Ich habe keine Bedenken, dass dieses Konzept nicht funktioniert“, sagt Meinhof.
Sie sieht „im extrem teuren Abriss eine viel größere Gefahr“. Dabei sei das Risiko viel höher, dass Nitrosamine freigesetzt werden. „Das könnte dazu führen, dass auch die angrenzenden Neubaubereiche kontaminiert werden“, warnt Meinhof.