Seine Adepten glaubten, den spirituellen Urknall gar präzise auf 9 Uhr morgens datieren zu können. Isaak Newton hingegen vermutete, dass Ussher sich verrechnet habe: Er korrigierte das Datum um 534 Jahre – und lag damit nur noch um etwa 4,5 Millarden Jahre daneben.
„Leibniz war da auf einer besseren Spur“, sagt Ariane Walsdorf. Bei Reisen in den Harz hatte der Universalgelehrte Fossilien- und Gesteinssammlungen angelegt, sich für Geowissenschaft interessiert – und erkannt, dass die Fossilien Überreste von Tieren waren. Die Leibniz-Expertin und Technikhistorikerin Ariane Walsdorf hat im Lichthof der Leibniz-Uni jetzt die Ausstellung „Explore! Leibniz“ eingerichtet. Dort, wo zuvor ein Copy-Shop stand, spürt diese nun dem Leben und Wirken von Hannovers größtem Gelehrten nach.
Zu sehen sind unter anderem Modelle von Anlagen, die Leibniz konstruierte oder optimierte, um den Harzer Bergbau zu verbessern; beispielsweise „Windkunstmaschinen“. Neben dem Faksimilie eines Reisepasses, den Leibniz für seine Harzreisen brauchte, sind auch Münzen, Erzbrocken und Bücher zur Erdgeschichte ausgestellt.
Ein Nachbau von Leibniz’ berühmter Vier-Spezies-Rechenmaschine findet sich gleich neben einer „Ionen-Falle“ – einem Bauteil für Quantencomputer, wie sie derzeit auch am Institut für Quantenoptik entwickelt werden. Mit dieser Konstruktion lässt sich ein einzelnes Atom oberhalb einer Goldfolie festhalten. Die Technik ermöglicht komplexe Rechenoperationen und den Bau besonders präziser Atomuhren. „Wir stellen Leibniz in den Lauf der Geschichte“, sagte Uni-Präsident Volker Epping bei der Eröffnung der Ausstellung. Tatsächlich schlägt die Uni Brücken von den Forschungen ihres Namenspatrons in die Welt der modernen Wissenschaft. Das gilt besonders für eine zweite Ausstellung im Lichthof.In einem eigenen gläsernen Kubus wird hier das „Leibniz UNIversum“ präsentiert. Denn natürlich beschäftigte sich der Allrounder Leibniz auch mit dem Kosmos. Er war überzeugt, dass es in den Weiten des Alls „unzählige Erden gibt“, die ebenfalls „vernünftige Bewohner“ haben könnten – ein verblüffend moderner Gedanke.
In dem Kubus ist das Modell des hannoverschen Einstein-Elevators nachgebaut. Der im Original 40 Meter hohe Fallturm ermöglicht Experimente in der Schwerelosigkeit – Besucherinnen und Besucher können am Modell mit einem Fußschalter eine Kapsel im Turm nach oben befördern und herabsausen lassen.
An einer Station darf man sich anhören, wie Gravitationswellen klingen, die etwa bei der Explosion einer Supernova entstehen. Und dann ist da ein Teil der Maius-Forschungsrakete zu sehen. Damit gelang es Fachleuten in der Schwerelosigkeit des Alls 2017 erstmals, bei extrem niedrigen Temperaturen Bose-Einstein-Kondensat zu erzeugen. An der Außenhaut der Rakete sind Kratzer zu sehen, die sich die Rakete beim Raumflug zugezogen haben könnte.
Die Koryphäen der heutigen Wissenschaft, das zeigen beide Ausstellungen, stehen oft auf Leibniz’ Schultern. Er lieferte die Grundlagen für ihre Arbeit. „Leibniz glaubte, dass sich das Universum vollständig verstehen lässt“, sagt Ariane Walsdorf.An dieser Stelle ist die moderne Forschung zwar weniger optimistisch. Aber vielleicht war Leibniz in diesem Punkt ja nicht nur seiner eigenen Zeit voraus, sondern auch der unseren.