Die Ernst-Reuter-Grundschule in Barsinghausen-Egestorf hat den großen Sporttag jetzt in abgemilderter Form organisiert, als Wettbewerb statt Wettkampf. Sportlehrerin Paula Kasch-Brockmeyer begrüßt die 270 Schülerinnen und Schüler, schlägt zum Warmmachen Hüpfen und Händezusammenklatschen über dem Kopf vor.
„Warmmachen?“, fragt halblaut ein Mädchen und blinzelt in die knallige Sonne. Aber da geht es auch schon los mit Sprint, Weitsprung, Ball-über-ein-Fußballtor-Werfen und Ausdauerlauf.
Der Spaß, sagt Schulleiterin Edith Lutterbüse, solle im Vordergrund stehen. Und während nebenan ein paar Jungs ihre Klassenkameraden anfeuern, damit sie schneller laufen als andere, befindet die Rektorin: „Leistungsanforderungen sind nicht mehr zeitgemäß.“ Aus diesem Grund wird beispielsweise nicht gemessen, wie weit die Kinder exakt springen.
Die sandgefüllte Sprunggrube ist in Zonen eingeteilt, es zählt, welche Zone welches Kind erreicht. Das soll die Bewertung abmildern. Wäre es nicht gut, wenn Kinder auch lernen, mit Niederlagen umzugehen? „Nicht so, dass es sie entmutigt“, sagt die Schulleiterin. „Es soll ein Sportfest sein, kein Gegeneinander.“
„Alle Kinder sollen Erfolgserlebnisse haben“, findet Kasch-Brockmeyer. Deswegen bekämen auch alle (das war schon 1991 bundesweit festgelegt worden) eine Urkunde. Aber der Wettbewerbsgedanke ist der Sportlehrerin nicht fremd: „Wir messen uns doch überall“, sagt sie. Und gerade auf dem Sportplatz könnten Kinder, die sonst in Mathe oder Deutsch nicht so positiv auffielen, „auch mal glänzen“.
Anna aus der 3a, acht Jahre alt, glänzt nicht nur, sie strahlt. Sie ist gerade 40 Meter mit vier kleinen Hürden und einem Slalomparcours in 11,53 Sekunden gelaufen. Sie mag Mathe, Englisch – und Sport. Anstrengend heute? „Anstrengend“, bestätigt sie. Aber es mache ihr Spaß.
In Hannover hat sich die überwiegende Mehrheit der weiterführenden Schulen ganz von den Bundesjugendspielen verabschiedet, meist schon vor vielen Jahren. In der klassischen Form ist dabei die individuelle Leistung in Leichtathletik und Geräteturnen gefragt. Ein Ansporn für sportliche Kinder, oft Frust für den Rest.
„Nicht alle Kinder haben dabei die Chance auf ein Erfolgserlebnis“, sagt Petra Hoppe, Leiterin der Integrierten Gesamtschule List. „Wir wollen aber Freude an der Bewegung fördern und das Gefühl vermitteln, dass Sport Spaß macht.“ Etliche Schüler ließen sich früher von den Eltern krankmelden, wenn die Bundesjugendspiele anstanden.
An vielen Schulen begegnen den Sportlehrkräften in der fünften Klasse Kinder, die nicht oder nicht gut schwimmen. Die IGS Büssingweg hat deshalb dieses Jahr ihre Sportfeste ins Freibad verlegt. Dabei schleppten die Schülerteams ihre Lehrkräfte auch auf Schwimmmatten herum.Die Elsa-Brändström-Schule, ein Beispiel, setzt beim Sportfest auf Ultimate-Frisbee. In der Ricarda-Huch-Schule organisieren die Elftklässler alternative Wettkämpfe für die jüngeren Schüler. Die IGS Südstadt geht klettern, bietet Selbstverteidigung für Mädchen, Darts, Ballschule und Yoga an.
„Unkonventionelle Wettkampfformen wirken auf Schülerinnen und Schüler unabhängig vom sportlichen Könnensstand sehr motivierend. Fast alle können und wollen sich für ihre Klasse einbringen“, berichtet Sportlehrerin Berit Stolte von der IGS Büssingweg. Spielerischer Sport, oft im Team – das ersetzt vielerorts längst die Bundesjugendspiele.