Etwa alle 45 Minuten wird eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner verletzt oder angegriffen. Ein App-Projekt zum Empowerment (Selbstermächtigung) von Betroffenen von häuslicher Gewalt wurde beim Hackathon der Bundesregierung ausgewählt, einem Programmierwettbewerb für besonders förderwürdige Projekte. 2020 gründete Stefanie Knaab in Berlin den Verein „Gewaltfrei in die Zukunft“ (GfZ), an dem auch Frauenberatungsstellen und Opferschutzgruppen beteiligt sind. Kooperationspartner sind die Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen, die Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden in Niedersachsen sowie die Region Hannover. An dem Pilotprojekt nehmen derzeit mehrere Hundert Frauen aus Hannover teil, es wird mit rund 1,6 Millionen Euro vom Bundesjustizministerium und dem niedersächsischen Innenministerium gefördert.
„Eine weitere Initiative als Ergänzung zu den bereits bestehenden Hilfsangeboten ist die Entwicklung dieser Schutzapp für Betroffene häuslicher Gewalt“, erläutert eine Sprecherin der Region. Die App soll niedrigschwellige Hilfe zur Selbsthilfe anbieten und der Gewaltprävention dienen. Neben Informationen soll die App denjenigen, die sich in einer gewaltbelasteten Beziehung befinden, Wege aufzeigen, wie sie sich Hilfe suchen können und auch, welche sicheren Schritte ihnen zur Verfügung stehen.
Kern der App ist, dass sie bei häuslicher Gewalt einen stillen Notruf möglich macht. Durch den Druck einer Taste an ihrem Telefon schickt die Betroffene eine Nachricht – und die Polizei kommt. Die Frauen können in der App aber auch einstellen, dass nicht die Polizei, sondern Vertrauenspersonen wie Mutter, Bruder oder Freundin benachrichtigt werden, erläutert eine Mitarbeiterin des GfZ-Teams. So bekomme der Täter nicht mit, dass der Notruf gewählt oder dritte Personen gerufen werden.
Technisch wird den Frauen ein Zugang eingerichtet, sodass außer ihnen selbst niemand zugreifen kann. Wie die App zu den Frauen kommt, wie sie heißt oder wer sie wann und wo besorgen kann, wird nicht öffentlich gemacht. „Wir bringen die App zu den Frauen, sie wird die Frauen erreichen“, heißt es bei GfZ. Die App soll außerdem gerichtsfeste Dokumentationen von Übergriffen ermöglichen. Mit der App sollen Frauen Beweise sammeln können – zum Beispiel, indem sie Fotos ihrer Verletzungen aufnehmen und in der App verschlüsselt hinterlegen.
Der Prototyp wird seit einigen Monaten an ehemaligen Betroffenen in der Region Hannover getestet. „Wir schauen, was ihnen in der damaligen Situation geholfen hätte und welche Funktionen der App sie sich gewünscht hätten. Dann prüfen wir, wie sich die App in bestehende Hilfestrukturen eingliedern lässt und wie sie angepasst werden muss. Über Begleitforschung im kriminologischen, frauenpolitischen sowie rechtswissenschaftlichen Bereich stellen wir die Qualität sicher“, sagt die GfZ-Mitarbeiterin. Die Auswertung erfolge federführend durch das LKA Niedersachsen. Die erste Projektphase endet im September, dann soll eine weitere bis 2026 folgen. Ziel: Irgendwann soll die App für Frauen in ganz Deutschland verfügbar sein.