Bianca Sieg ist sozusagen Expertin für eine neue, weniger gemütliche Form des Radwanderns, das „Bikepacking“. Mit ihrem Gravelbike (Gravel englisch für Schotter) fährt die Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in Hannover abseits der bekannten Fernradwege. Oder wie sie es ausdrückt: „Ich fahre gerne über Stock und Stein.“ Ihr Rad ist eine Mischung aus Rennrad und Mountainbike: zwar mit Kettenschaltung, aber mit breiteren Reifen und einem komfortableren Rahmen.
Leichtes Gepäck spielt beim „Bikepacking“ eine entscheidende Rolle, denn Bianca Sieg ist mit Sattel-, Rahmen- und Lenkertaschen unterwegs. Auf ihrer ersten größeren Tour 2022 wog ihr Gepäck zwölf Kilo – inklusive Zelt, Isomatte und Schlafsack. Die Tour führte sie im vergangenen Jahr von Braunschweig 826 Kilometer nach Freiburg im Breisgau. Es galt, 8300 Höhenmeter zu überwinden. „Eigentlich fahre ich lieber bergab“, beantwortet sie lächelnd die Frage nach den Steigungen. Klar ist aber auch, solche Strecken schaffen nur fitte Menschen, die Spaß an der Bewegung haben.
Laut ADFC Deutschland haben 2022 rund 4,6 Millionen Menschen eine Radreise unternommen, 700.000 mehr als im Jahr zuvor. Damit hätten die Zahlen fast das Vor-Corona-Niveau erreicht, heißt es in der im März veröffentlichten Radreiseanalyse, an der etwa 12.500 Menschen teilgenommen haben. Neun von zehn Radreisenden organisierten demnach den Urlaub selbst und schätzen flexible und spontane Routenplanung und Unterkunftswahl.
So auch Bianca Sieg. „Ich will der Zivilisation entfliehen“, sagt sie. Also plant sie im Internet akribisch ihre Touren. Sucht über Google-Maps Bäckereien, Supermärkte und Campingplätze; Orte für die Verpflegung und zum Übernachten. Mehr Zivilisation muss nicht sein.
Sie schätzt bei den Touren, auf sich und das unmittelbare Erleben gestellt zu sein. „Hält sich das Wetter?“, „Wo ist der nächste Campingplatz?“, „Wohin führt mich dieser Weg?“, sind dabei ganz normale Fragen. „Das ist sehr entspannend. Ich komme total geerdet aus dem Urlaub zurück“, erzählt sie. Körperliche Anstrengung führt bei ihr zur mentalen Erholung. Ihre Tour nach Freiburg hat Sieg in acht Tagen geschafft, mehr als 100 Kilometer sei sie täglich gefahren. Aber sie schickt hinterher: „In Frankfurt habe ich zwei Tage Pause gemacht. Meine Freundin Sarah musste noch arbeiten.“ Ab Frankfurt ist Bianca Sieg dann in Begleitung gefahren. Und was ist, wenn sie mitten im Wald eine Panne hat? Bianca Sieg hat in einer Radwerkstatt das Schrauben gelernt. Und sie hat auf jeder Tour einen Ersatzschlauch, Flickzeug, ein Multitool mit Kettennieter, Kettenschloss und Luftpumpe dabei. Desinfektionsspray und Pflaster hat sie ebenfalls in einer Tasche verstaut.Die Idee, Radferien zu machen, hatte einen ganz banalen Ursprung. „Ich wollte im Urlaub nicht auf mein Fahrrad verzichten“, erzählt sie. Tagesausflüge hatte sie schon vorher gemacht. Sie schätzt, dass sie etwa 8000 Kilometer im Jahr auf ihren Rädern – es sind vier Stück - zurücklegt – eine anstrengende Art zu reisen. Aber morgens durch einen „spektakulären Felstunnel im Schwarzwald“ zu fahren, sei dabei eine der vielen Belohnungen.