„Die Koordinatoren des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) managen Haltung und Zucht einer Tierart unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten und stellen die Tiergruppen dementsprechend zusammen“, sagt Fabian Krause, Kurator in Hannover. Die Zoos in Europa hätten in den vergangenen Jahren große Zuchterfolge bei den in freier Wildbahn bedrohten Eisbären verzeichnet. „In den kommenden Jahren werden viele Eisbären daher erst einmal in nicht züchtenden Gruppen leben“, erklärt Krause.
Dies betrifft auch die mittlerweile dreieinhalbjährige Nana, die in Nürnberg in eine Gruppe junger Bärinnen einzieht. Aus der Stadt in Franken kam dafür die 20-jährige Eisbärin Vera nach Niedersachsen und lebt in Hannover mit Nanas Eltern Sprinter und Milana.
„Eisbären sind sehr, sehr beliebt“, sagt Zoosprecherin Yvonne Riedelt. Das ist keine Übertreibung. Vor knapp 20 Jahren entstand bundesweit ein riesiger Trubel, ausgelöst durch die Jungtiere Knut in Berlin und Flocke in Nürnberg – die Mutter von Letzterer ist Vera. Beide kleinen Eisbären wurden von ihren Müttern nicht ausreichend versorgt und daher von den Pflegern mit der Hand aufgezogen.
Die Medien griffen die Geschichten begierig auf, zumal Eisbären auch zu einer Art Symboltier für Klimaschutzkampagnen wurden. Knut, der 2011 gestorben ist, war der weltweit wohl bekannteste Eisbär seiner Zeit. Er spülte dem Berliner Zoo durch Eintrittsgelder und den Verkauf von Merchandisingartikeln wie Plüschtiere, Spielzeug und Papierwaren allein in seinem ersten Lebensjahr rund 5 Millionen Euro in die Kassen. Die Rechte an ihm hat der Zoo beim Patent- und Markenamt schützen lassen; Gleiches taten die Nürnberger mit Flocke.
Als in Hannover die Polarlandschaft Yukon Bay geplant wurde, waren Eisbären, die es zu der Zeit im Zoo nicht gab, ein zentrales Thema. Er bekam schließlich den Zuschlag für die in Wien geborenen Zwillinge Arktos und Nunaq, um die sich weltweit neun Zoos beworben hatten. Später kam Sprinter hinzu – die drei bildeten in Yukon Bay seit der Eröffnung 2010 eine Dreier-Männer-WG.
Arktos und später Nanuq haben den Zoo verlassen. Dafür kam dann das Weibchen Milana aus Moskau und mit ihr die Erlaubnis durch das EEP, die Nachwuchsarbeit in Angriff zu nehmen. Nana tat im November 2019 ihre ersten Atemzüge. Für den Zoo war das ein tolles Ereignis, auch wenn der Rummel überhaupt nicht mit dem um Knut und Flocke zu vergleichen war. Zum einen waren Eisbärenbabys keine Sensation mehr, zum anderen konnten die Besucher wegen der Corona-Lockdowns teils gar nicht und teils nur unter Einschränkungen den Werdegang im ersten Lebensjahr verfolgen.
Derzeit leben laut Zuchtbuch rund 300 Eisbären in weltweit 118 Zoos. In Deutschland hat jüngst der Tierpark Hagenbeck in Hamburg ein Jungtier vorgestellt, das im Dezember geboren wurde. In Hannover würde man züchten, wenn es denn passt. „Wie lange die Pause dauert, entscheidet allein das EEP“, betont Sprecherin Riedelt.
Weil es naturgemäß nicht möglich ist, den Eisbären als direkt Betroffenen derartige Erwägungen näherzubringen, trifft der Zoo in Hannover Vorkehrungen in Form von Verhütungsmaßnahmen – Sprinter erhält ein Hormonpräparat.