Am 3. Juni treten nun im rumänischen Oradea 25 Teams gegeneinander an – aus Barcelona, Basel und Bordeaux, aus Warschau und Wien. Die Mission des Üstra-Duos dabei ist klar: „Wir wollen den Pokal zum zweiten Mal in Folge gewinnen“, sagt Schlüter selbstbewusst. Dass sie in Wehmingen mit der alten Ost-Bahn trainieren können, ist ein Segen – denn ein solches Modell könnte auch in Rumänien auf sie warten. „Unsere eigenen Bahnen können wir dorthin ja schlecht mitnehmen“, sagt die Stadtbahnfahrerin trocken.
Die Tram-EM, die erstmals 2012 ausgetragen wurde, ist für die Schienen-Community ein echter Leckerbissen. Sie bietet diverse Disziplinen: Fahrer müssen schon mal einen großen Gummiball im Gleisbett so anstoßen, dass er Kegel umwirft. Oder einen Queue so sanft anfahren, dass eine Kugel auf einem Billardtisch möglichst an einem bestimmten Punkt landet. Das Ganze ist eine Mischung aus „Wetten, dass ..?“ und Verkehrsübungsplatz.
Es gebe aber auch Übungen, die durchaus alltagsrelevant sind, versichert Europameister Andreas Brucks. So müssten Fahrer beim Anhalten die Türen punktgenau über einer Markierung zum Stehen bringen. Oder sie müssten eine Notbremsung auf ein plötzliches Signal hin machen. „So etwas kann man sich auch im richtigen Leben vorstellen“, sagt der 50-Jährige, „nur dass der Anlass für die Bremsung dann nicht eine Lichtschranke ist, sondern ein Radfahrer mit Kopfhörern, Kapuzenpulli und Sonnenbrille.“
Der Hamelner Brucks ist eigentlich ausgebildeter Tontechniker. In den Fahrerstand der Üstra kam er erst 2016 als Quereinsteiger. „Stadtbahnfahrer ist einfach ein toller Beruf“, schwärmt er. Dass er es einmal zum Europameister bringen würde, hätte er sich damals nicht träumen lassen. Zwei Dutzend gegnerische Teams hatten er und Schlüter im vergangenen Jahr in Leipzig abgehängt – ein souveräner Sieg.
Mit der Tatra-Bahn trainieren sie jetzt zwischen den alten Gebäuden auf dem Areal des Museums die Standardsituationen ihrer Randsportart – Anfahren, Anhalten, Kurven nehmen. So einen EM-Titel gibt es nicht geschenkt, und die Konkurrenz schläft auch nicht. Bei einer Übung geht es darum, abzuschätzen, wie weit der Wagen in einer Kurve ausschwenkt. Auch das sei eine Fertigkeit, die im Alltag unverzichtbar sei, sagt Brucks. „Wenn man mit der Linie 9 durch Linden fährt, kann davon abhängen, ob man am Außenspiegel des Falschparkers vorbeipasst.“