Der 19-Jährige mit den dunklen Wuschelhaaren zählt zu den 50 besten League-Spielern Deutschlands. Seine Position: Jungler. Das ist im „Fünf gegen Fünf“-Duell der Fantasywelt so etwas wie der Spielmacher. Barliba behält den Überblick über sein Team und (möglichst) über das des Gegners, gibt den Matchplan vor, macht die Ansagen. Das läuft ziemlich erfolgreich: Mit dem „Team Omniscius“ ist er gerade in Deutschlands 2. Liga aufgestiegen. Alle Spieler sind Buhmann-Stipendiaten.
Barliba und die Teamkollegen studieren kostenlos, haben in der Dr.-Buhmann-Schule nahe der Oper sogar Trainingsräume mit Hochleistungs-PCs für mehrere Zehntausend Euro. Der Zockerraum hat Frischluftzufuhr, Fußbodenheizung, Sponsorennamen zieren die Zimmerwand. Auch die schicke Wohnung in Hannovers Nordstadt wird gestellt: Im Gaminghaus der Buhmann-Schule gibt es sechs frisch sanierte Wohnungen für je zwei Profizocker. Zusätzlich bekommen der 19-Jährige und die anderen ein Gehalt, Ernährungscoaching, mentales Training und die Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Nicht, dass Barliba besonders gerne Eisen stemmt, aber Computersport wird mittlerweile ganzheitlich betrachtet. „Das ist wie bei jedem Athleten ein Beruf, der viel Disziplin erfordert“, weiß der 19-Jährige.
Aber er liebt, was er tut. Er zocke seit frühen Kindertagen. Sein Vater setzte sich mit ihm an den Rechner, auch wenn die Mama das gar nicht so gern sah. „League of Legends“ spiele er seit neun Jahren. Er sei durch einen Freund dazu gekommen. „Und ich wollte sofort so gut wie möglich werden“, erinnert sich Barliba. Er trainiert mehr als andere, damals wie heute. Wenn die Saison laufe, komme er allein mit dem Team auf 27 Spielstunden pro Woche, rechnet er vor. „Dazu kommt, was ich individuell mache, und ich spiele etwas mehr als der Durchschnitt.“
Auch jetzt noch guckt der Papa aus Süddeutschland zu, wenn der Sohn aus Hannover seine Spiele ins Internet überträgt. Mal vor einer Handvoll Zuschauenden, mal vor mehreren Tausend bei wichtigen Spielen. Die größte Kulisse fürs Team der Buhmann-Schule: fast 40.000, als es gegen bekannte Streamer ging.
Von Nervosität aber keine Spur, zumindest lässt der 19-Jährige sich die nicht anmerken. Für Barliba ist Computerspielen ein 40-Stunden-Job. Und einer, der ihn gut auf das Leben vorbereite, egal, wohin der Weg ihn letztlich führe: „Man nimmt aus dem E-Sport Lifeskills mit“, findet er und zählt diese Lebenskompetenzen auf: Konzentration, Menschenführung, Entscheidungsfähigkeit, wie man sich in einem Team zu verhalten habe.„Und Verhandlungsgeschick“, ergänzt Sascha Timm von der Seite. Auch der schlanke, hochgewachsene Lockenkopf ist 19 Jahre alt und E-Sportler für die Dr.-Buhmann-Schule. Allerdings im Spiel „Rocket League“, das sich etwas leichter erklären lässt als Barlibas Fantasy-Strategiegame. „Rocket League“ ist Fußball mit Autos, die auch fliegen können, im Modus Drei-gegen-Drei.
Eine weitere Parallele, dass auch Timm fürs Computerspielstipendium umgezogen ist und anders wohl nie in Hannover gelandet wäre. „Wenn ich in den Norden gewollt hätte, wäre es wahrscheinlich eher Hamburg oder so geworden“, überlegt er. Und „ohne die Möglichkeit wäre ich ziemlich sicher niemals hergezogen“. Denn der Karrierewunsch E-Sport-Profi sei „ohne Unterstützung superriskant. Wenn du acht, neun Stunden am Tag spielst“, sei das kaum mit einem Studium kompatibel. Aber durch das Coaching lasse sich vieles optimieren. „Das ist besser, du setzt nicht alles auf eine Karte.“
Das mit der Karte war mal anders: Nach dem Abi wollte der 19-Jährige, der sich online „systm03“ nennt, am liebsten nur am Computer daddeln. Mitunter exzessiv, gibt er zu: „Das war auch mal ungesund viel Zeit“, die er mit „Rocket League“ verbracht habe. Doch durch den Fleiß hat er sich den etwas anderen Karriereweg geebnet, was Türen öffne.
Mit dem Uni-Team der hannoverschen Schule wurde der Student (Fach: Internationales Management und Marketing) Universitätseuropameister und fliegt im Juni zur WM in die USA nach Dallas, Texas. Realisiert habe Sascha das noch nicht. „Ich bin vorher erst einmal geflogen, das waren so zwei Stunden nach Italien. Jetzt fliege ich für ein Videospiel zu einer WM, das ist doch Wahnsinn“, beschreibt er. „Wir spielen nicht nur für uns, sondern auch für Hannover. Und irgendwie auch für Deutschland, das ist schon krass.“
Im hannoverschen Profiteam „Recken Rockets“, das beim Handball-Bundesligaklub angedockt ist, ist er aktuell zwar Ersatz, aber mit dem richtigen Training kann das wieder anders laufen. Damit er sich darauf konzentrieren kann, wohnt auch Timm im Gaminghaus in der Nordstadt. Wie schick es da aussehe, habe auf seine Eltern Eindruck gemacht.
Also liegen bei E-Sportlern keine alten Pizzakartons und Energydrinkdosen herum? „Schönes Klischee“, kommentiert der 19-Jährige und lacht: „Natürlich nicht! Ernährung spielt eine wichtige Rolle.“ Professionelles Computerspielen ist längst mehr, als es das Klischee vom faulen Kellerkind suggerieren mag. „In meinem Lebenslauf steht als Job auch E-Sportler drin“, sagt der „Rocket League“-Profi selbstbewusst: „Wir sind auf einem guten Weg, es wird immer normaler und akzeptierter.“
Wie hoch es in der Karriere hinausgeht, darauf haben die Profi-E-Sportler zum Beispiel durch ihre Disziplin Einfluss. Mit wem sie im Team spielen, das entscheiden beim Uni-Team in Hannover aber andere. Die Dr.-Buhmann-Schule hat einen eigenen Sportdirektor angestellt, der Dozent für die Studierenden ist. Björn Benke ist ein echter Vollprofi, leitete früher knapp drei Jahre lang das Fußballnachwuchsleistungszentrum vom Traditionsklub FC St. Pauli.
So prestigeträchtig wie Fußball ist E-Sport in Deutschland zwar noch nicht, doch es entwickelt sich. Und auch bei Benke fühlt sich die Begeisterung echt an. „Für mich ist das Leistungssport im Kopf“, schwärmt er überschwänglich. „Den Kopf zu trainieren, kann nicht so schlecht sein!“ Auch für künftige Arbeitgeber, falls es doch nicht mit der großen Gamerkarriere klappen sollte.