Genauso hat sich Alma Edelstein das vorgestellt, jedenfalls fast. Die 40-jährige Choreografin sitzt konzentriert am Rand, gibt kleine Korrekturhinweise. Sie sei sehr detailverliebt, wird sie später sagen, und feile gern an Kleinigkeiten wie der Stellung der Finger oder der Zehen. Alma Edelstein ist eine der zentralen Figuren des „8. Tanzoffensive“-Festivals in der Eisfabrik, das am 5. Mai startet. Sie choreografiert nicht nur am 3. Juni das Abschlussstück „Baobab“ mit den drei Tänzerinnen Ludovica Ballarin, Nina Melcher und Susanna Ylikosky, sondern auch den Auftaktabend mit zwei Uraufführungen ihrer Edelstein Feinsilber Dance Company.
Das Publikum soll und wird sie kennenlernen, und das hat einen Grund: Denn die aus Argentinien stammende Tänzerin wagt nach vielen Jahren Arbeit in Österreich und Berlin einen Neuanfang und verlegt ihren Lebensmittelpunkt gerade nach Hannover. Für Wolfgang A. Piontek von der Commedia Futura ein absoluter Glücksfall: „Alma wird eine absolute Bereicherung für die Tanzszene in Hannover sein.“Für Edelstein wiederum ist Hannover ein neuer Kick. Sie habe zuletzt in Berlin keine Impulse mehr gespürt, dagegen habe sie die erste Begegnung im Tanzpunkt Hannover sofort tief berührt: „Nina Melcher und Bettina Paletta begrüßten mich, gingen ins Studio, und das erste, was sie taten: Sie umarmten sich. Und ich stand da, sah ihnen einfach zu und dachte: Ich will an einem Ort arbeiten, wo Menschen sich umarmen.“ Ein Zeichen – die praktizierende Buddhistin glaubt an solche Winke des Schicksals. Symbolik spielt genau wie die Natur auch eine große Rolle in ihrem künstlerischen Schaffen. Das traf im Tanzpunkt einen Nerv. Die Frauen mussten nicht lange reden, um herauszufinden, ob sie miteinander arbeiten wollen. Sie wollten. Edelstein sucht gerade eine Wohnung in Hannover.
Ihre berufliche Reise, die nun also in der niedersächsischen Landeshauptstadt vorerst stoppt, begann mit einem Versprechen ihrer Mutter. Der Deal: Wenn sie die Schule beendet, zahlt Mama ein Flugticket nach Europa. Gesagt, getan: Bei ihrer mehrmonatigen Rundreise nahm sie Tuchfühlung mit dem Kontinent auf, der später ihre Wahlheimat werden sollte.
Dass sie Tanzen zu ihrem Beruf machen würde, wusste sie schon viel früher: „Als ich vier war, gingen wir am Strand spazieren, und ich hab’ meine Mutter am Kleid gezogen und gesagt, dass ich Tänzerin werden will.“ Nach einem Tanzstudium in ihrer Heimatstadt Buenos Aires wechselte sie nach Europa, schloss an der Anton-Bruckner-Privatuni in Linz ihr Studium ab und arbeitete anschließend auch an vielen deutschen Häusern, unter anderem am dreispartigen Stadttheater Hildesheim.
Nun also die „Tanzoffensive“, im Fall von Alma Edelstein gleich doppelt: Als Neustartmotto für ihre Zukunft in Hannover – und als Festival, auf dem sie in zwei Stücken zeigen wird, auf was Hannovers Tanzfans sich freuen können. Zwei Stücke voller Symbolik und Natur. Man kann davon ausgehen, dass es bis dahin viele Umarmungen geben wird.
Festival Tanzoffensive: 5. Mai bis 3. Juni. Neben den Tanzabenden an den Wochenenden wird am 10. Mai nebenan in der Galerie für Fotografie eine Ausstellung mit Bildern des Staatsballetts Hannover eröffnet, fotografiert von Ralf Mohr.
tanzoffensive-hannover.de