Dort wird das Festivalzentrum errichtet, das vom britischen Kollektiv „The DisOrdinary Architecture Project“ entworfen wird. Die Gruppe hatte auch das Festivalzentrum der vorigen Ausgabe in Braunschweig gestaltet. In Hannover wollen sich die Architekturexpertinnen und -experten wieder besonders für die Belange tauber Menschen einsetzen. Im Zentrum soll es „Soundmassagen“ geben und „Silent Discos“, bei denen Musik über Kopfhörer und über vibrierende Bassgürtel übertragen wird.
Im Festivalzentrum wird auch ein sogenannter Feeler unterwegs sein. Der taube Künstler Daniel Kotowski wird dort den Kontakt zu – hörenden wie weniger hörenden – Festivalbesuchern und -besucherinnen aufnehmen. Im Programm heißt es über ihn: „Feeler wandert unter den Menschen umher und nimmt ihre Emotionen in sich auf. Er versucht, seine eigenen Gefühle zu äußern und über sie zu sprechen. Er benennt sie, zeigt sie und erlebt sie gemeinsam mit Ihnen. Die Frage nach den eigenen Gefühlen ist manchmal herausfordernd, und die Antwort kann intim ausfallen oder auch nicht.“
Überhaupt werden die Zuschauerinnen und Zuschauer bei dem Festival, das 13 Produktionen von Künstlerinnen und Künstlern aus zehn Ländern zeigt, viele Möglichkeiten haben mitzutun. In „Spin“ (am 30. Juni und 1. Juli auf der Cumberlandschen Bühne) lädt die taube Tänzerin Anna Seymour mit ihrem Team (drei Performerinnen und ein DJ) das Publikum zum Mittanzen ein, im Festivalzentrum wird es an fünf Abenden eine „Silent Disco“ geben, und in der „Toolbox“ können Besucher angeregt von den Produktionen über das Thema „Fragilität“ sprechen, und zu einigen Produktionen werden Nachgespräche angeboten.
Eröffnet werden die hannoverschen Theaterformen am Donnerstag, 22. Juni, mit einer Arbeit der chilenischen Theatermacherin Manuela Infante. Ihre Vampirgeschichte „Was ihr nicht sehen könnt“ entsteht gerade im Zusammenarbeit mit dem Schauspiel Hannover. Im Schauspielhaus soll das Stück auch in der kommenden Spielzeit zu sehen sein.
Die Fragilität des menschlichen Körpers, seine Verwundbarkeit und die Würde des nicht perfekten Körpers stehen im Zentrum der meisten Produktionen des Festivals. In „Zer-Brech-Lich“ von Alessandro Schaittarella wollen drei behinderte Performerinnen und Performer „eigene und fremde Identitäten“ erforschen. Die Produktion, eine Zusammenarbeit des Festivals mit der Staatsoper Hannover, ist am 23., 24. und 25. Juni im Ballhof 1 zu sehen. Eine Performance zum Thema Geschlechtsumwandlung ist am 1. und 2. Juli im Ballhof „The Making of Pinocchio“ von „Cade & MacAskill“ aus Glasgow.
Auf der Cumberlandschen Bühne tanzt Mohamed Toukabri zusammen mit seiner Mutter in „The Power (of) The Fragile“. In dem Stück, das am 23. und 24. Juni zu sehen ist, geht es um Träume von einem anderen Leben und die Schwierigkeiten der Migration. In „Thank You Very Much“ der schottischen Choreografin Claire Cunningham setzen sich behinderte Tänzerinnen und Tänzer (am 28. und 29. Juni) mit dem Mythos des perfekten Körpers auseinander.
Zeitgenössischer Tanz grundiert auch die Produktion „Aphasia“ von Jelena Jureša. Die Filmemacherin lässt ihr Publikum am 26. und 27. Juni in die Atmosphäre eines Nachtclubs eintauchen, in dem eine Frau erkennt, dass es sich bei dem DJ um einen Kriegsverbrecher handelt, der bisher der Verurteilung entgangen ist. Im Programm steht dazu der in vielerlei Hinsicht bedenkliche Satz: „Jeder Genozid hat seinen Soundtrack.“