Eine Seite lang sind die Schreiben, die der 20-Jährigen und ihren Geschwistern ihr altes Leben in Deutschland zurückgeben. Sogar Tippfehler in den einzelnen Schriftstücken sind übernommen worden. Der Widerruf, mit dem ihr Schutzstatus in Deutschland aberkannt wurde, werde „aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls aufgehoben“, heißt es schlicht im Amtsdeutsch. Eine ausführliche Begründung nennt das Bamf auch auf Nachfrage nicht. Dort scheint man es mit der Erledigung des Falls ziemlich eilig gehabt zu haben. Der zu erwartenden „Erledigungserklärung der klägerischen Seite“ schließe man sich bereits an, schreibt die Behörde.
Hayfaa Sharaf Elias’ Vater war mit seiner Familie 2014 zu Beginn des Völkermords an den Jesiden im Nordirak geflohen. Dann flüchtete er allein weiter nach Deutschland, während Frau und Kinder drei Jahre in einem Flüchtlingslager in der Türkei ausharrten. Nach seiner Anerkennung als politisch Verfolgter konnte er zumindest seine Frau und die minderjährigen Kinder nach Deutschland nachholen. Traumatisiert durch Krieg und Flucht nahm er sich 2020 das Leben.
Zunächst hatte das Bamf argumentiert, Hayfaa Sharaf Elias könne anders als der Vater keine individuellen Verfolgungsgründe vorweisen. Mit seinem Tod sei ihr Schutzstatus daher hinfällig. Ein Leben im Irak sei ihr zuzumuten, da dort keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben bestehe. Man habe nach Aktenlage entscheiden müssen. Die junge Frau habe eine Nachfrage der Behörde nicht beantwortet, hieß es später, nachdem ein Bericht in dieser Zeitung eine Welle der Empörung ausgelöst hatte.
Auf Landes- und Bundesebene hatten sich Politiker, darunter der hannoversche SPD-Politiker Adis Ahmetovic, für das Mädchen eingesetzt, das sich vorbildlich integriert hatte. Auch der Verein Hawar Help der Menschenrechtsaktivistin Düzzen Tekkal hatte sich eingeschaltet. Die individuellen Gründe für einen Fortbestand des Schutzstatus seien dem Bamf erst jetzt bekannt, teilt die Behörde mit. Aufgrund der neuen Erkenntnisse könne man den Widerruf aufheben, begründet das Bamf seine 180-Grad-Wendung. Tatsächlich wusste das Amt aber schon zuvor sehr genau über die Flucht der gesamten Familie Bescheid. Die Mutter hatte diese in einer Anhörung geschildert, aus der das Bamf in dem Bescheid von Hayfaa Sharaf Elias zitiert.
Er sei erleichtert, weil er wisse, wie lange das Bamf manchmal für die Korrektur von Entscheidungen brauche, sagte Kai Weber vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat. Die Jesidin könne jetzt sogar bald die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Sie sei einfach glücklich, erklärte Hayfaa Sharaf Elias. Ihr Chef, der Onkologe Ingo Zander, hatte ihren Fall öffentlich gemacht. Ohne die darauffolgende Unterstützung so vieler Menschen wäre eine solche Wendung nicht möglich gewesen, ist er überzeugt. Er erwarte, dass jetzt auch dem Rest der Familie ein Schutzstatus zugesprochen werde, da sie gemeinsam aus dem Irak geflohen sei, betont der Mediziner.