Junge Menschen sorgten sich nicht nur um das Klima, sondern hätten zunehmend auch Angst vor eigener Armut, Ausbildung und Arbeitsplatzsuche. „Die Jugendlichen sind im Dauerkrisenmodus“, sagt Hötker. Das sei angesichts von 24.000 Arbeitslosen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren in Niedersachsen und dem europaweit größtem Niedriglohnsektor in Deutschland verständlich.
Es gebe viel zu wenig Ausbildungsplätze im Land, moniert Hötker. Auf 100 Bewerberinnen und Bewerber kämen nur 95 Plätze. Trotz zahlreicher Bewerbungen seien zuletzt 7000 junge Menschen ohne Ausbildungsplatz gewesen, und dies seien nur die der Arbeitsagentur bekannten Fälle, vermutlich sei die Dunkelziffer noch viel höher.
Da inzwischen schon 44 Prozent der Abiturienten und Abiturientinnen eine duale Ausbildung machten, hätten Schüler mit Hauptschulabschluss oder aus Familien mit Migrationshintergrund kaum noch eine Chance auf eine Lehrstelle, kritisiert auch Ute Neumann (40), Abteilungsleiterin für Jugendpolitik beim DGB. Sie würden von den Gymnasiasten verdrängt.
Knapp 30.000 junge Menschen seien derzeit im sogenannten Übergangssystem geparkt, bemängelt Neumann. Das sind schulische oder außerschulische Maßnahmen, die nicht zu einem beruflichen Abschluss führten, wie etwa Berufseinstiegsschulen oder Förderprogramme der Arbeitsagenturen oder Länder. Laut Neumann landen 50 Prozent der Hauptschüler und 42 Prozent der Jugendlichen aus Familien mit nichtdeutschen Wurzeln in diesem Übergangssystem.
Nachwuchsmangel sei für 100 Prozent der Betriebe ein Problem, sagt Neumann, aber nur 20 Prozent der Unternehmen bildeten aus und hätten dadurch Wettbewerbsnachteile, während die anderen 80 Prozent den Nachwuchs einfach nur abgriffen. Das sei unsolidarisch, finden DGB und Grüne Jugend und wollen Unternehmen deshalb jetzt zur Kasse bitten. Betriebe mit mehr als fünf Mitarbeitenden sollen 0,3 Prozent ihrer Bruttolohnsumme in einen Ausbildungstopf zahlen. Wer dann ausbilde, erhalte daraus pro Azubi 2500 Euro zurück. Neumann macht eine Beispielrechnung auf: Eine Bäckerei mit 60 Angestellten – davon die Hälfte in Vollzeit, die andere in Teilzeit – und sechs Azubis würde 7200 Euro Ausbildungsumlage pro Jahre zahlen müssen, aber 15.000 Euro aus dem Topf bekommen.Die Betriebe müssten sich auf die Bewerber zubewegen, findet Neumann. Vieles, was immer als angeblich „mangelnde Ausbildungsreife“ moniert werde, könnten die Jugendlichen auch in der Ausbildung lernen. Dabei dürfe die Politik die Unternehmen nicht allein lassen.
Im Bund wird gerade über eine Ausbildungsplatzgarantie ab Sommer 2024 diskutiert. In Regionen mit hoher Jugendarbeitslosigkeit soll ein gesetzlicher Anspruch auf einen Ausbildungsplatz bestehen.
Der Grünen Jugend in Niedersachsen und der DGB Jugend reicht das aber nicht: Das sei höchstens ein Einstieg. Es müsse auch einen gesetzlichen Anspruch für Jugendliche geben, die nicht in unterversorgten Gegenden lebten. „Die Ausbildungsplatzgarantie des Bundes ist eine Vorlage“, sagt Hötker, „jetzt muss Rot-Grün einnetzen.“