Verfeinerte Früherkennung kann mehr Leben retten
Lungenkrebs: Von der MHH initiierte Studie zeigt die Wirksamkeit eines ausgeweiteten Screenings

Mehr Kriterien für effizienteres Screening: Prof. Jens Vogel-Claussen (links) hat die Hanse-Studie initiiert.Foto: Tim Schaarschmidt
Hannover. Mehr als jeder Fünfte raucht in Deutschland – und jedes Jahr wird bei rund 57.000 Menschen Lungenkrebs diagnostiziert. Die Krankheit endet oft tödlich, weil sie typischerweise zu spät entdeckt wird. Um die hohe Sterblichkeitsrate bei Lungenkrebs zu senken, soll ab Frühjahr 2026 auch an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ein erweitertes Früherkennungsprogramm eingeführt werden – als Kassenleistung.

Eine Gemeinschaftsstudie von Charité Berlin, MHH, LungenClinic Grosshansdorf und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein hat jetzt gezeigt, dass die Kriterien für das Screening ausgeweitet werden müssen, um mehr Fälle zu erfassen. Denn die Teilnehmenden der sogenannten Hanse-Studie werden nicht nur anhand ihres Alters und ihrer Rauchhistorie ausgewählt, sondern auch nach zusätzlichen Merkmalen. So lassen sich mehr Krebsfälle frühzeitig entdecken, und das ist vor allem für Frauen relevant.

Bislang soll sich das Lungenscreening an Menschen zwischen 50 und 75 Jahren richten, die mehr 25 Jahre stark geraucht haben. Mittels Computertomografie (CT) wird dabei überprüft, ob verdächtige Veränderungen der Lunge vorliegen.

„Unsere Daten zeigen aber, dass wir nach den bisherigen Kriterien einige Menschen übersehen, die ebenfalls ein hohes Lungenkrebsrisiko haben und vom Früherkennungsprogramm profitieren würden“, sagt Prof. Jens Vogel-Claussen, Leiter der nun veröffentlichten Hanse-Studie, die er an der MHH initiiert hatte und weiter als Studienleiter betreut. „Wenn wir mehr Faktoren berücksichtigen als nur Alter und Rauchhistorie, entdecken wir knapp 20 Prozent mehr Lungenkrebsfälle“, betont der Radiologe, der seit Oktober Direktor der Klinik für Radiologie der Berliner Charité ist.

Die Forschenden haben untersucht, wie gut ein CT-Screening Lungenkrebs frühzeitig erkennt, wenn man die Teilnehmenden nach einem umfassenden Kriterienkatalog – dem unter Fachleuten so bezeichneten PLCOm2012-Score – auswählt. Er berücksichtigt neben dem Alter und der Rauchhistorie auch Bildungsstand, Gewicht, das Vorliegen einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), vergangene Krebserkrankungen und Lungenkrebsfälle in der Familie.

Verglichen wurden die Ergebnisse mit den Auswahlkriterien, die ausschließlich das Alter und die Rauchhistorie berücksichtigen (Nelson-Score). Bei rund 4200 aktiven oder ehemaligen Raucherinnen und Rauchern, die nach dem umfassenderen Kriterienkatalog gescreent wurden, fanden die Forschenden in 108 Fällen Lungenkrebs. Das sind 19,4 Prozent mehr als in der Nelson-Vergleichsgruppe von rund 3900 Personen, wo 85 Krebsfälle auffielen. „Mit dem erweiterten Score müssen wir zwar 6 Prozent mehr Personen screenen, finden aber deutlich mehr Lungenkrebsfälle“, sagt Prof. Martin Reck von der LungenClinic Grosshansdorf. „Das macht das Screening effizienter.“

Von dem erweiterten Kriterienkatalog profitieren insbesondere Frauen. Einerseits sind sie mehrheitlich betroffen: In der Hanse-Studie erhielten insgesamt 2,6 Prozent der Frauen eine Lungenkrebsdiagnose, im Vergleich zu 1,8 Prozent der Männer. Andererseits fallen sie aus dem eng gefassten Kriterienkatalog häufiger heraus. Viele der Frauen in der Studie haben zwar aktiv, aber weniger Zigaretten als die Männer geraucht – und damit nicht die aktuell in Deutschland geltende Voraussetzung fürs Screening erreicht. Außerdem haben sie häufiger familiären Lungenkrebs, eine eigene Krebsvorgeschichte oder eine zusätzliche COPD-Diagnose. „Unsere Studie hat gezeigt, dass es möglich, aber auch nötig ist, die Kriterien für das Screening basierend auf den Ergebnissen der Hanse-Studie zu ändern“, sagt Prof. Vogel-Claussen.
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