In Hannover steuert das Projekt „Mathepaten“ dagegen an. Es greift dort ein, wo häufig schon die Matheangst beginnt: in der Grundschule.
Der Grund: Volle Klassen, umfangreiche Lehrpläne und sehr unterschiedliche Voraussetzungen in der Schülerschaft bringen die Lehrkräfte häufig an Belastungsgrenzen. „Manche Kinder wissen nicht einmal, wie sie einen Stift halten sollen und verstehen den Zehnerübergang nicht“, erzählt Lehrerin Gesche Hüttmann von der „Grundschule am Sandberg“: „Sie brauchen dringend Hilfe.“
Aber neben den Kindern mit Lernschwierigkeiten gibt es auch diejenigen, die mehr Herausforderung brauchen als das vorgegebene Mathematik-Kurrikulum vorschreibt. „Den täglichen Spagat, den wir hier ausüben, ist beträchtlich“, sagt Gesche Hüttmann. Glück für die Lehrerin: In ihren Unterricht kommen Mathepaten. Das sind besonders geschulte Menschen, die ehrenamtlich unterstützen, damit alle Kinder die Chance haben, Mathe toll zu finden.
Regina von Graevemeyer koordiniert das Projekt der Bürgerstiftung: „Unsere Mathepaten arbeiten auf verschiedene Weise mit den Lehrerinnen oder Lehrern zusammen: Sie können direkt im Unterricht helfen, gehen mit herum, kontrollieren Aufgaben oder unterstützen beim Lösen. Sie können aber auch mit einem Kind oder einer Gruppe in einen separaten Raum gehen und dort in Ruhe arbeiten.“
So fördern die Mathepaten, wenn es nicht so gut klappt, aber sie fordern auch Kinder, die weiter sind und sich im Unterricht langweilen würden. Wie zum Beispiel Matei. Der Achtjährige hat einen Mathepaten, weil er den Unterrichtsstoff der dritten und vierten Klasse bereits beherrscht.
Mit seinem Mathepaten Dr. Michael Mähler arbeiten Mathei – und auch sein Schulkamerad Peer – an besonderen Knobelaufgaben. Darüber ist Matei sehr froh: „Für mich sind die Aufgaben aus der Schule so langweilig“, sagt er und erklärt: „Ich will denken, nicht nur schreiben.“ Matei konnte schon mit drei Jahren addieren und subtrahieren. Mit vier Jahren beherrschte er das Einmaleins.
„Wir sind für alle Kinder da. Von daher müssen wir differenzieren. Wenn Kinder wie Matei und Peer nicht besondere Aufgaben bekommen, sind sie schnell gelangweilt, können die Lust an dem Fach sogar verlieren und sich im schlimmsten Fall ganz verweigern“, warnt seine Lehrerin Gesche Hüttmann.
Sie ist sehr froh, dass Matei jetzt in seinem Tempo die Welt der Zahlen „durchpowern“ kann, wie sie sagt. Auch Mathepate Mähler hat viel Spaß an seinem Schützling: „Er rechnet so schnell wie ich“, sagt er. Der ehemalige Tierarzt war der allererste Mathepate in dem Projekt, das in Hannover 2019 gegründet wurde. Heute ist es an 14 Grundschulen vertreten.
Michael Mähler betreut neben Matei weitere Kinder – auch Kinder mit Problemen in Mathe. „Es gibt mir so viel, wenn die Kinder dankbar sind und sich freuen, wenn der Knoten geplatzt ist und sie es verstanden haben“, erzählt er.
Die Mathepaten kommen mindestens zwei Stunden pro Woche in den Unterricht und sind festen Klassen zugewiesen. Sie werden am Schuljahresende mit der Klasse „versetzt“.
Diese Kontinuität ist wichtig: „So kann man mit den Kindern ein vertrauensvolles Verhältnis aufbauen und weiß um ihre Stärken und Schwächen“, sagt Mathepatin Stephanie Otrakci. Die Motivation der Juristin: „Mir ist in der Coronazeit sehr bewusst geworden, wie stark die Bildungschancen vom familiären Hintergrund abhängig sind. Ich will den Kindern auf ihrem Weg helfen.“ Für sie das Schönste sei, wenn ein Kind, dem sie eine Aufgabe erklärt habe, sich dann auch freiwillig und stolz im Unterricht melden würde.
Für die Kinder sind die Mathepaten mehr als eine fachliche Hilfe: „Sie hören zu, helfen, geben Struktur, organisieren“, zählt Regina von Graevemeyer auf. Denn es gibt Kinder, die nicht einmal einen Bleistift oder Radiergummi mitbringen, die nicht in der Lage sind, lesbar eine Zahl in ein Kästchen einzutragen.
Mathepaten können ihre Ideen auch einbringen: An der Grundschule „Groß Buchholzer Kirchweg“ haben Mathepate Stephan Meiser und Schulleiterin Nicole Dreyer mit der „Stiftung Niedersachsen Metall“ als Sponsor ein besonderes Projekt gestartet: Hier können junge Mathefans mit „Lego Spike Prime“ Programmieren und Robotik lernen. Die Kinder sind begeistert: So macht Mathe richtig Spaß und sie erfahren, dass hinter der scheinbar trockenen Welt der Zahlen so viel mehr Buntes und Spannendes stecken kann.
Mathepaten werden noch dringend gesucht: Interessenten können sich bei der Bürgerstiftung Hannover unter Telefon (0511) 45 00 07 70 für das Projekt Mathepaten melden.