Das gesamte Gepäck von Sahil Jha (20) passt in eine kleine Satteltasche. Normalerweise hängt sie seitlich an seinem Fahrrad, das er wie einen Kunstgegenstand am Maschsee geparkt hat. Die Tasche ist seit Mai 2022 sein treuer Begleiter auf einer Weltreise im Namen der „Save Soil“-Bewegung. Denn: Der 20-Jährige kämpft für ein Problem, das kaum Beachtung findet – die Zerstörung der Weltböden.
„Anfangs hatte ich viel dabei: Dicke Decken, Bettwäsche, alles Mögliche“, erzählt der Inder schmunzelnd und schüttelt den Kopf. Das hoffnungslos überladene Fahrrad wurde für den Umweltaktivisten schnell zur Qual: Berge konnte er damit nicht hochfahren, er musste sein Rad kilometerweit schieben. Gezwungenermaßen trennte er sich von vielen Dingen und minimierte sein Hab und Gut. Ein paar T-Shirts, Hosen, Socken, Unterwäsche – mehr braucht er nicht. Dazu passt auch seine heutige Philosophie: „Wenn du weit reisen möchtest, reise mit wenig Ballast und am besten allein.“ Je weniger er besitzt, desto angenehmer ist Reisen für ihn.
Seit Jha angekommen ist, begeistert ihn Hannover. „Das ist eine der grünsten Städte, die ich bisher besucht habe“, schwärmt er. „Hannover ist ein perfektes Beispiel dafür, dass Natur nicht nur außerhalb, sondern auch in einer Stadt Platz haben kann.“ Auch kulinarisch ist er angetan: Döner – den kann man gut ohne Messer und Gabel essen. Überhaupt gefällt ihm Deutschland bisher sehr gut.
„Die Radwege hier sind traumhaft. Vor allem zum Sonnenuntergang, wenn das Licht so schön fällt.“ Das Klischee von unfreundlichen Menschen hierzulande kann der Umweltaktivist – er war unter anderem schon in Australien, Neuseeland, Malaysia und Singapur – nicht bestätigen. „Ich hatte eine Begegnung in Hamburg, die sich wirklich eingebrannt hat“, erinnert er sich. Dort ist er bei einem lokalen Bauern und dessen Familie untergekommen, die ihre Produkte nachhaltig, ressourcenschonend und bedacht anbauen. „Ich hatte interessante Gespräche mit diesen Menschen. Sie leben genau das Leben, für das ich die Gesellschaft sensibilisieren möchte.“
Jhas Impuls, auf der ganzen Welt über Bodendegradation aufzuklären, war kein Zufall. „In meiner Heimatstadt Kolkata lernen wir nicht viel über Klimawandel und seine Auswirkungen. Also habe ich angefangen, Bücher zu lesen und mir so mein Wissen angeeignet.“ So erfuhr er auch von der „Save Soil“-Bewegung, die sich für Erhaltung von Böden einsetzt. Die Entscheidung, mit 16 Jahren auf Weltreise zu gehen, war für ihn vor allem spirituellen Ursprungs. „Ich möchte die Erde ein Stück besser verlassen, als sie es jetzt ist.“ Auf seinem Weg legt er auch Stopps bei Politikern, an Schulen und Universitäten ein. All das hält er auf seinem Instagramkanal fest, auf dem ihm mittlerweile 14.500 Menschen folgen. „Das Thema Bodengesundheit kommt zu kurz. Dabei sind wir auf Böden angewiesen, um uns überhaupt ernähren zu können.“ Seine Prognose: „Wenn es so weitergeht, werden zukünftige Kriege nicht mehr um Öl geführt, sondern um Wasser und Erde.“
Ein professionelles Surly-Fahrrad, grün-lackiert in den Farben der „Save Soil“-Kampagne, trägt Jha über die Straßen der Welt. „Ich hatte bisher vier Fahrräder. Mein erstes kostete 35 Euro, war wackelig und hatte keine Gangschaltung.“ Sein jetziges Rad kauft er, als er in Australien ankommt. „Großartig, seit sechs Monaten hatte ich keine Panne“, freut er sich und streicht über den Rahmen. Beeindruckend, wenn man bedenkt, dass er seit 2022 unterwegs ist. Nach all den Reisejahren ist die Verbindung zwischen ihm und dem Rad eng: „Es ist nur etwas Stahl, aber ich verbringe jeden Tag mit dem Fahrrad. Es ist zu meinem besten Freund geworden.“
Seine Reise möchte der Aktivist in den USA beenden, nach Hannover stehen zunächst noch Belgien und Frankreich auf dem Plan. „Wenn alles gut läuft und ich ein Visum bekomme, soll New York meine letzte Station sein. Mit indischem Pass ist es momentan aber nicht einfach, einzureisen.“
Sein Vorhaben für New York ist groß: Er möchte US-Präsident Donald Trump (79) zu einem Gespräch treffen. „Wenn nur ein Bruchteil der Militärausgaben in Umweltprobleme fließen würde, müsste die Welt weniger hungern“, ist der 20-Jährige überzeugt. „Jeden Tag sterben so viele Menschen. Nur, weil wir glauben, dass wir besser sind als sie. Dabei sind wir alle gleich, egal, wie wir aussehen und woher wir kommen.“
Jha sitzt auf der Bank und lässt den Blick über den Maschsee schweifen. Das Wasser glitzert in der Mittagssonne. Ist er wirklich überzeugt, dass er Trump treffen kann?
„Das muss ich sein“, lacht er und greift nach seinem Fahrrad. Ein 20-Jähriger aus Indien, der mit minimalem Gepäck maximale Wirkung erzielen möchte. Sahil Jha mag mit seinem Vorhaben auf manche Menschen naiv wirken, dabei beweist er aber vor allem eins: Wo ein Wille, da ein Weg.