Hannovers erste
Tiertafel hilft Bedürftigen
Futter für die Vierbeiner: Am 21. September wird in der List verteilt. Die Lager sind voll.

Passt auf: Shaffordshire Terrier Cookie hat ein Auge auf die Tiertafel-Lager-Ware.Fotos: Florian Petrow
Hannover. An zwei Leinen in der linken Hand zerren Fiby und Ares, in das Walkie-Talkie in der rechten Hand spricht Tanja Baar knappe Sätze: „Möhre wird gebracht“, „Kümmert sich bitte jemand um Snickers?“ Sieben Uhr morgens in der Huta List. Prime Time wie zur selben Zeit in den Kitas der Stadt. Nur werden hier Vierbeiner in die Obhut von Tiermedizin-Studenten, Minijobbern und Tanja Baar selbst gegeben. Huta steht für Hundetagesstätte, die Huta List ist die größte in der Region. Auf 3500 Quadratmetern werden auf dem ehemaligen Gelände einer Spedition bis zu 80 Hunde gleichzeitig betreut, damit Besitzerinnen und Besitzer beruhigt zur Arbeit gehen können.

Seit 2017 gibt es dieses Angebot, „wir haben in den letzten Jahren kräftig erweitert“, sagt Baar, entstanden ist ein Hunde-Paradies. Mit Schlafräumen, Trainings-Parcours, Freiflächen, dem Salon einer Hundefriseurin (Krallen schneiden ab 10, Trimmen ab 50 Euro), gegenüber hat sich eine Physiotherapiepraxis für Hunde etabliert. „Auch unsere Gäste haben Verspannungen und Blockaden“, sagt Tanja Baar, die sich erstklassig ausgebildet hat für „meinen Traumjob“. Sie ist studierte Tierpsychologin, Ausbilderin für Rettungshunde, vor allem aber: „Hundenärrin. Darf ich vorstellen: Odin, Pinu’u, Cody, Fly, Tuula. Meine fünf“, sagt die zweifache Mutter.

Das Geschäft funktioniert, so gut, dass Baar „was zurückgeben will an Menschen, die es nicht so gut getroffen haben“. Zwei Jahre arbeitete Baar mit ihrer Nichte Janine und Anna-Natascha Gaedeke vom Cookies-Laden an Hannovers erster reinen Tiertafel, nun ist sie ins Vereinsregister eingetragen. Genutzt wird für die „Tafel für Tiere Hannover e.V.“ ein Gebäude auf Baars Gelände, in dem Futter und Zubehör wie Körbchen, Näpfe, Leinen und Halsbänder gesammelt und einmal im Monat ausgegeben werden. Dafür gibt es Lob vom Sozialverband Deutschland (SoVD) in Berlin. „Jüngste Zahlen zeigen, dass rund 60 Prozent der Menschen unter Einsamkeit leiden. Für viele dieser Menschen ist ein Haustier der einzige Lebensbegleiter und damit das wichtigste Mittel gegen Einsamkeit. Zudem sind besonders Bedürftige und Einkommensschwache davon betroffen. Darum ist es toll, dass gerade hier die Tiertafel hilft“, sagt die SoVD-Vorsitzende Michaela Engelmeier.

Schnell fanden sich Helfer aus der Tier-Szene. „Wir feiern immer ein Sommerfest und bitten um Spenden statt Geschenke“, sagt Tierärztin Dr. Melanie Borchers (48) von der Kleintierpraxis Herrenhausen, „dieses Mal kamen 1000 Euro für die Tiertafel zusammen. Wir begrüßen diese Initiative sehr. Nicht nur bedürftige Menschen müssen unterstützt werden, sondern auch deren Tiere, weil die Tiere gerade für solche Menschen unglaublich wichtig sind.“

Anke Forentheil ist stellvertretende Leiterin des Tierheimes in Krähenwinkel, das sich mit 50 Mitarbeitenden um die Unterbringung von bis zu 400 Tieren kümmert: „Diese Tiertafel ist eine großartige Idee. Es ist wichtig zu wissen für Tierhalter, dass es da eine Anlaufstelle für Notfälle gibt, damit das Tier nicht Hunger leiden muss, wenn es dem Menschen finanziell schlecht geht.“

Die 61-Jährige muss im Alltag sehen, dass „da draußen mitunter große Not herrscht. Bei uns werden Tiere unter Tränen abgegeben, weil sich die Halter Futter, Medikamente oder die gestiegenen Tierarztkosten nicht mehr leisten können.“ So gibt das Tierheim, das selbst auf Unterstützung angewiesen ist, „gerne an die Tiertafel ab, wenn wir etwas übrig haben. In der Tierbranche hilft einer dem anderen, es geht menschlich zu.“

Damit beim ersten großen Ausgabetag am 21. September zwischen 11 und 15 Uhr im Gusindeweg 6 in der List „unsere Unterstützung denen gewährt wird, die sie nötig haben“, sagt Baar, „gibt es klare Kriterien“. Sie sind auf der Homepage der Tiertafel (tafel-fuer-tiere-hannover.de) veröffentlicht. Menschen aus Hannover oder der Region, die Bürgergeld oder Sozialrente beziehen, Grundsicherung oder Mini-Rente erhalten, in Ausbildung oder von einer Insolvenz betroffen sind, sollen sich angesprochen fühlen und müssen dieses mit Ausweis oder Unterlagen belegen. „Das Tier muss bereits vor Beginn einer finanziellen Notlage bei unserem Kunden gelebt haben“, erklärt Baar, um Missbrauch zu vermeiden. Für alle, die spenden wollen, gibt es ein Konto und sind Abgabezeiten eingerichtet worden. Baar freut sich „über fantastische Hilfe rund um unsere Gründung. Unsere Lager sind komplett voll.“

Gut 100 Euro gibt Erzieherin Anke Renner für ihre siebenjährige Luna im Monat aus, „wie soll sich das ein Obdachloser leisten können?“, fragt sie rhetorisch. Mit 19 Jahren hat sie ihren ersten Hund angeschafft, „da war es knapp mit dem Geld. Wenn das mal nicht gereicht hätte, hätte ich das Angebot so einer Tiertafel angenommen. Aber damals gab es keine.“ Nun hat sie ein Kreis von zehn Ehrenamtlichen ins Leben gerufen.

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