Und, ja, es ist kein abwegiger Vergleich bei dieser Gitarre, der „Strat“, deren Korpus so elegant und weich geschwungen, so perfekt auf den menschlichen Körper zugeschnitten ist wie bei keiner anderen. Einfach ein schönes Ding.
Man muss nicht Mark Knopfler sein, der vor allem mit diesem Modell des amerikanischen Instrumentenbauers Leo Fender zu Weltruhm gelangte, um Gitarren zu streicheln. Man muss nicht einmal eine besitzen. Es reicht, in einen Laden zu gehen, in dem Gitarren verkauft werden. Gitarrenstreichler gibt es überall.
Es sind die Schlendernden. Nicht die mit dem vorgewärmten Plektrum in der Tasche, die sich am frühen Nachmittag ein Instrument geben lassen, in einer kleinen Testkabine verschwinden, den 0-10-Volumeregler des Verstärkers auf 11 stellen und kurz vor Feierabend glücklich ohrensausend wieder rauskommen. Wie viele E-Gitarren sind unverkauft geblieben, weil man sich nicht traute, neben diesen langhaarigen Powergniedlern seine drei Akkorde im Kreis zu spielen oder den einen Song, den man unfallfrei hinbekam? Wie hieß es im Film „Wayne’s World“ auf dem Warnschild im Gitarrengeschäft: „No Stairway to Heaven!“
Aber die Gitarrenstreichler wollen gar nicht richtig spielen. Sie schlurfen mit Händen in den Taschen durch den Laden und lassen sich jedes Mal aufs Neue von der bunten Pracht der sorgsam aufgehängten oder aufgeständerten Gitarrenarmee mit Wonne erschlagen. Hier und da bleiben sie stehen und tätscheln den lackierten Korpus einer Gibson Les Paul, die man in den Händen von Led Zeppelins Jimmy Page oder Slash von Guns N‘ Roses kennt.
Oder sie nehmen die „Little Martin“ auf, halten sie vor den Bauch und greifen mit den Fingern der Linken einen A-Moll-Akkord, um zu prüfen, ob man wie Ed Sheeran auf dieser Miniklampfe wirklich ernsthaft Musik machen und ein Stadionpublikum zum Ausrasten bringen kann. Oder sie schnüffeln am Holzgeruch einer Taylor-Gitarre für ein paar Tausend Euro und meinen, Fichte, Palisander oder Ebenholz olfaktorisch erkannt zu haben – so, wie es neben dem Preis auf dem laminierten Kärtchen steht, das an einem der Mechanik-Wirbel baumelt.
Riechen ist wie streicheln auch so ein Ding in einem Musikgeschäft. Wer bei PPC am Alten Flughafen in Hannover die am teuersten riechenden Gitarren erleben will, geht in einen eigenen Raum hinter einer Glastür. Hier hängen Wertgegenstände an der Wand. Schöne, helle, dunkle, auffällig gemaserte, mit aufwändigen Verzierungen auf dem Griffbrett oder um das Schallloch.
Aber auch für die teuerste Gitarre gilt: Sie muss zum Spieler oder zur Spielerin passen. Wer nicht nur schlendern will, sondern kaufen, setzt sich hin und „testet an“. Diese und jene. Wie Probefahrten. PPC hat in vier Jahrzehnten Zehntausende solcher Probefahrten ermöglicht.
Immer noch sitzen Menschen und testen an, in der oberen Etage des schmucklosen Zweckbaus im schmucklosen Industriegebiet, dessen grobe Schlichtheit sich kaum mehr von Sinnlichkeit und Formschönheit hinter den Mauern der Hausnummer 7A unterscheiden könnte.
Die Räume unten, in denen früher Tasten, Blas- und Perkussionsinstrumente verkauft wurden, sind nach Corona auf- und abgegeben worden. Ja, die Pandemie hat der Kultur richtig wehgetan, auch den Zulieferern der stillgelegten Künstlerschaft. Und nun haben die PPC-Geschäftsführer bekannt gegeben, dass am Ende des Jahres endgültig Schluss ist. Nachfolger haben sie nicht gefunden. Manche hoffen: noch nicht.
Der Abverkauf läuft schon, viele Instrumente oder Zubehör haben rot geschriebene Angebotspreise. Pianos stehen durch den Raum verteilt, Saxofone haben den Platz von Konzertgitarren eingenommen, einige Wandplätze sind leer. Der Laden, der schon beim Anblick immer eine spielerische Energie entfaltet hat, wirkt nun traurig, nein, er wirkt trostlos, weil hier etwas zu Ende geht, das mehr als ein Business ist.
Nostalgie? Ja, sicher. Viele, die die Ankündigung im Netz kommentieren, haben eine kleine Geschichte parat, die sie vor Ort erlebt haben. Andere haben „viel Geld da gelassen“, keinem scheint das auch nur ein bisschen leidzutun.
Für Rainer Schumann gilt beides. Der Schlagzeuger von Fury in the Slaughterhouse hat schon in der Theaterstraße „manche Stunde“ verbracht, viele Trommeln bei PPC gekauft und sogar noch eine Rechnung von 1987 aufbewahrt. Jens Krause, Produzent der wichtigsten Fury-Alben, sagt, er sei damals manchmal einfach da gewesen, „um zu quatschen, denn die PPC-Leute waren cool“.
An einer Wand am Alten Flughafen hat Stargitarrist John Scofield eine Danksagung unter ein gerahmtes Foto geschrieben. Die Gitarrenabteilung hatte mit einem Netzteil für ein Effektgerät ausgeholfen, das Scofield bei einem Auftritt im Jazz-Club fehlte.Die Erklärungsversuche für das Aus reichen im Netz vom zu geringen Angebot an DJ- und Elektromusik-Equipment bis zur Künstlichen Intelligenz, die ohnehin den Deckel auf die handgemachte Musik machen werde. Die Anteilnahme ist groß. Als ob das eine Kapitulation wäre. Aber erstens ist die Gitarre die Jeans der Musikmode, auch wenn sie derzeit nicht das coolste Gadget bei jungen Menschen ist. Zweitens kann KI das schiere Gefühl, ein Instrument zu spielen, derzeit noch nicht ersetzen. Und drittens gibt es in und um Hannover immer noch Musikaliengeschäfte. Auch wenn das größte bald ausgespielt hat.
Die Brüder Mühlbauer, die das kleine Münchener Pro Percussion Center in den Achtzigerjahren nach Hannover verlegten, in einem Hinterhof der Theaterstraße hinter der Oper das Sortiment ausweiteten und dann ins Industriegebiet zogen, haben in der Musikalienlandschaft von Rock City Hannover Zeichen gesetzt. Das Credo: Gutes Sortiment und persönlicher Service vor Ort inklusive Reparatur, Kommunikationsplattform, Workshop- und Musikschulprogramm. Als die Konkurrenz aus dem Netz die Branche verändert, macht PPC mit, aber mehr als Ergänzung des Ladens als in der Absicht, zu einem großen Onlinevertrieb zu werden.
Dass Internetanbieter lokalen Händlern das Leben schwermachen und den Markt aufmischen, ist keine Neuigkeit. Dass es in diesem Fall mit Thomann ein fränkisches Familienunternehmen ist, das mit Milliardenumsatz nicht nur europaweit führend ist, sondern mit sorgfältigem Servicekonzept bei der Kundschaft auch Vertrauen genießt, ist eine Ironie dieser Geschichte.
Das Schwätzchen mit dem Techniker, der einem das Gesangsmikrofon gegen einen Kleinschein für die Kaffeekasse lötet und gefühlt alle kennt, die in Hannover Rockmusik machen, ist aber auch durch den besten Online- oder Hotlineservice nicht zu ersetzen. Und eine Runde Gitarrenstreicheln schon gar nicht.Die Szene aus „Wayne’s World“ wurde übrigens in Cassell’s Music in San Fernando bei Los Angeles gedreht. Im Juni hat der Besitzer bekannt gegeben, dass der Laden nach 78 Jahren geschlossen wird. Er habe keinen Nachfolger gefunden.