Für die Erhebung wurden im Juni 1053 Personen zwischen 40 und 55 Jahren befragt. Fast die Hälfte davon (47 Prozent) sieht die Hauptverantwortung für schulische Themen bei den Müttern. Nur 8 Prozent wähnen die Väter in der Pflicht. Besonders Frauen sehen sich selbst in der Verantwortung (67 Prozent). Jeder zweite Mann meint hingegen, beide Elternteile trügen die gleiche Verantwortung (52 Prozent).
Die sogenannte mentale Belastung war auch schon Gegenstand anderer Studien. Der Begriff beschreibt die Last durch ständige unsichtbare Planungs- und Koordinierungsaufgaben, die im Alltag anfallen und die damit verbundene Verantwortung. Diese Studien zeigen ähnliche Ergebnisse wie die aktuelle Yougov-Umfrage. Beispielsweise die repräsentative „Vermächtnisstudie“ aus dem Jahr 2023 vom Institut für angewandte Sozialwissenschaft, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und der Wochenzeitung „Die Zeit“. Demnach liegt die Hauptlast bei den Frauen, während Männer jedoch häufig glauben, dass die mentale Belastung gerecht verteilt wäre.
Laut der Yougov-Umfrage hat mehr als jede zweite Frau (58 Prozent) das Gefühl, sich zwischen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten und der schulischen Entwicklung des Kinds entscheiden zu müssen. 10 Prozent der Mütter haben dieses Gefühl häufig. Bei den Männern sind es 3 Prozent. Fast alle Eltern (82 Prozent) machen sich mehrmals pro Woche bis täglich Gedanken über die Schule ihrer Kinder. Vor allem Mütter beschäftigen sich eigenen Angaben zufolge täglich oder mehrmals täglich gedanklich mit der Schule (53 Prozent), bei den Vätern sind es 12 Prozent weniger. 39 Prozent der Befragten nehmen externe Unterstützung, wie beispielsweise Nachhilfe für ihre Kinder, in Anspruch. 42 Prozent dieser Personen empfinden das als willkommene Entlastung.
Die Zahlen decken sich mit den Erfahrungen des Nachhilfeunternehmens, das die Studie in Auftrag gegeben hat. „Die Mutter ist die Ansprechperson, die häufiger in Teilzeit arbeitet und zu Hause für die Alltagsdinge zuständig ist“, sagt Studienkreis-Sprecher Thomas Momotow. „Ein klares Indiz, das wir dafür sehen: Rund zwei Drittel der Nachhilfeanfragen beim Studienkreis kommen von Müttern.“ Ein Grund dafür sei, dass schulische Leistung und Erfolg von Kindern gesellschaftlich als Verantwortung der Mutter gelte. „Es existieren immer noch diese unbewussten Glaubenssätze an Schulen: Sag mal der Mama Bescheid“, erläuterte Momotow.
Das ist nach Einschätzung Laura Fröhlich, Expertin für mentale Belastungen, auch einer der Hauptgründe, weshalb die Beanspruchung für Mütter so groß ist. „Mütter werden als Ansprechperson für Schulthemen durch Instagram und sogenannte pädagogische Influencerinnen immer nervöser gemacht“, sagt Fröhlich. Väter verknüpften den schulischen Erfolg ihrer Kinder hingegen gar nicht so sehr mit ihrem eigenen Selbstwert. Zudem seien es meistens die Mütter, die in Whatsapp-Gruppen für Eltern rund um die Uhr für Schulthemen erreichbar seien. „Wir müssen aufhören, Mütter als Allzweckwaffe für alle gesellschaftlichen Versäumnisse zu verheizen“, fordert Fröhlich. „Hier brauchen Familien Unterstützung.“ Ihre Tipps: unrealistische Bilder auf sozialen Netzwerken hinterfragen, die Elternrolle von der Rolle der Lehrkräfte abgrenzen und Aufgaben auslagern, etwa durch Nachhilfe.
„Wir erleben den Druck aus den Familien sehr deutlich. Die Eltern sind mit den Nerven am Ende, weil sie merken, dass die eigene Hilfe häufig nicht funktioniert“, sagt Studienkreis-Sprecher Momotow. „Die Konflikte, die daraus mit den Kindern entstehen, bringen die Eltern an den Rand der Verzweiflung. Das ist völlig normal, aber auch ein eindeutiges Zeichen dafür, dass es gut ist, sich Fachpersonen zu holen und nicht selbst als Lehrerin oder Lehrer aktiv zu werden.“ Nachhilfe kann seit 2011 über das staatliche Bildungs- und Teilhabepaket finanziert werden und ist somit auch für Familien, die Transferleistungen wie das Bürgergeld erhalten, bezahlbar.
Aber viele schulische Verpflichtungen wie Elternabende oder Elterngespräche lassen sich nicht einfach auslagern. Wenn es um die gerechte Aufteilung der Sorgearbeit geht, spielen strukturelle Forderungen deswegen auch immer eine große Rolle. Im Zuge dessen tritt beispielsweise die Bundesstiftung Gleichstellung für eine Abschaffung des Ehegattensplittings und familienfreundlichere Arbeitszeiten ein.
An den Schulen ist die Ganztagsbetreuung ein Beispiel für eine strukturelle Maßnahme, die von der Bundesregierung eingeführt wurde, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erhöhen. Sie soll zudem Kindern unabhängig von ihrer finanziellen Herkunft bessere Bildungschancen eröffnen.