Cool Runnings in Hannover
Anschiebe-Wettbewerb als Startschuss für Niedersachsen-Bob? Leichtathleten haben Lust aufs Eis.

Packen es an: Elisabeth Greimel (links) und Allison Moede nehmen Kontakt mit dem Bob auf.Foto: Florian Petrow

Cool Runnings“ ist im Laufschlauch am Sportleistungszentrum allgegenwärtig gewesen. Der Kultfilm aus dem Jahr 1994 zeigt das Werden und Auftreten der ersten jamaikanischen Bob-Mannschaft. Mit realem Hintergrund. 1988 startete tatsächlich ein Vierer-Bob aus dem Karibik-Staat bei den Olympischen Winterspielen im kanadischen Calgary. „Das geht über eure Vorstellungskraft, Jamaika hat ’ne Bobmannschaft“, so ein Song aus dem Film.

Viel Fantasie war aber auch im Sportleistungszentrum gefragt. Denn auch in Niedersachsen, in Sachen Wintersport nicht unbedingt erster Kandidat, soll es eine Bobmannschaft geben. Eis-Exotik bei knapp 30 Grad im hannoverschen Sportzentrum. Manfred Schumann und Dieter Berndt, beide mit langer Bob- oder Schlitten-Historie, hatten die Leichtathleten zum Anschiebe-Wettbewerb und Probetraining geladen. Der niedersächsische Bob- und Schlittensportverband wurde damit aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Und Bob Niedersachsen 1 könnte Realität werden.

Ein gutes Dutzend Interessierte war gekommen. Landestrainer Rolf Westermann, bis 2003 selber noch aktiver Fahrer, leitete alle an. Einen Anschubwagen mit zwei dicken Betonscheiben und insgesamt 120 Kilogramm Gewicht galt es, gerade und vor allem explosiv auf Geschwindigkeit zu bringen. Video-Analyse am Smartphone: Körperhaltung, Schritte – alles wurde besprochen. Die Mitstreiter feuerten jeden lautstark an, Westermann korrigierte, analysierte. Bob-Anschieben ist eben doch anders, als nur aus dem Startblock zu sprinten. Am Ende standen zwei fliegenden Sprints mit dem 120-Kilo-Wagen über 20 Meter an.

Allison Moede war für das Spektakel extra aus Hamburg gekommen. „Ich hatte ein Werbeplakat bei der norddeutschen Meisterschaft bei uns in Hamburg auf der Jahnkampfbahn gesehen. Da dachte ich mir: Warum nicht?“, sagte die 26-Jährige vom Hamburger SV. „Über 100 Meter werde ich mit meinen 12,78 Sekunden sicher nie nach ganz vorne kommen. Aber im Bob. Mal sehen“, sagte die Wirtschaftspsychologin.

Das Feeling für eines der ungewöhnlichsten Bob-Teams hatte sie. „Meine Mutter liebt den Cool-Runnings-Film. Ich musste den auch immer sehen und er ist wirklich gut“, sagte Moede. Nun könnte auch sie in einem exotischen Bob sitzen.

Beim Anschieben war sie diesmal zwar noch nicht die Schnellste, aber sie kann sich auch noch mehr vorstellen. „Ich hätte auch Lust, nicht nur anzuschieben, sondern auch Pilotin könnte ich mir vorstellen“, sagte sie.

Interessierte Anschieberinnen hätte sie auch gleich zwei. Sprinterin Elisabeth Greimel vom SV Eintracht Hannover wäre eine Kandidatin. Für die 2 mal 20 Meter brauchte sie 7,64 Sekunden. Das brachte ihr am Ende den Sieg, den Gold-Pokal und die 100-Euro-Siegprämie ein. Die Lust auf etwas Neues teilte die Sprinterin mit Hürden-Ass Michelle Aulbert von Hannover 96. „Ich bin wirklich begeistert. Und habe auch Lust, das mal auf einer richtigen Bobbahn zu versuchen“, sagte die Hürdensprinterin.

Sie hat ohnehin ein Plus. „Sprinter oder Mehrkämpfer sind gut als Anschieber geeignet. Aber am meisten geeignet sind in meinen Augen Hürdensprinter“, sagte Präsident Manfred Schumann. Er ist vielleicht nicht ganz objektiv. Denn auch er war einst Hürdensprinter und der erste deutsche Athlet, der sowohl bei den olympischen Sommerspielen als auch den Winterspielen dabei war. 1972 in München lief er die 110 Meter Hürden, 1980 schob er den Silber-Zweier-Bob von Wolfgang Zimmerer an. „Da hätten wir ja schon einen Damen-Zweier-Bob, sogar mit zwei Anschieberinnen“, so Schumann.

Expertise bringen auch die weiteren Vorstandsmitglieder neben Schumann mit. Vize-Präsident Dieter Berndt wurde das mit in die Wiege gelegt. Sein Vater Helmut war 1949 nicht nur Gründer des niedersächsischen Bob- und Schlitten-Sportverband, er fuhr auch selber. 1960 wurde er gar Rodel-Weltmeister und war damit der schnellste Verbandspräsident. Auch er war im Sommer Hürdensprinter.

Westermann ist als Trainer auch Talent-Scout und hatte mit dem späteren Anschieb-Sieger der Männer, Florian Lüthje, der ebenfalls aus Hamburg kam und immerhin amtierender deutscher Meister mit der U20-4x100-Meter-Staffel ist, auch schon sein größtes Bob-Talent ausgemacht. Michael Brandes, einst 7290-Punkte-Zehnkämpfer beim TK Hannover und danach sieben Jahre lang Bob-Anschieber, komplettiert das Vorstandsquartett.

Am Ende war fast allen bei der Siegerehrung und Abschlussansprache klar: Es soll keinesfalls eine Eintagsfliege gewesen sein. Regelmäßiges Training und auch die Fahrt nach Winterberg, zu einer der nur drei aktuell nutzbaren Bob-Bahnen in Deutschland, sind geplant. Bob Niedersachen nimmt Formen an. Im Original-Viererbob, den Schumann zum Anschauungsunterricht mitgebracht hatte, konnten alle schon einmal Probesitzen.

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