„Manche empfinden Traurigkeit, andere Lustlosigkeit oder Wut“, sagt Diplom-Psychologin und Stressexpertin Bettina Löhr. Auch körperliche Symptome wie Kopf- oder Bauchschmerzen, Herzrasen und Schlafprobleme können auftreten. Manchmal wirkt sich der Sonntagsblues auch auf den kommenden Tag aus. „Es kann sein, dass wir montags in einer Art Jetlag sind, weil der Rhythmus am Wochenende anders war“, so die Expertin.
Der Sonntagsblues heißt im Englischen „Sunday Scaries“ (auf Deutsch: Sonntagsängste). Laut einer Umfrage empfindet der durchschnittliche US-Bürger diese „Sunday Scaries“ 36-mal im Jahr, also an knapp 70 Prozent der Sonntage. Die Studie ermittelte sogar den Zeitpunkt, an dem die Stimmung bei den meisten Menschen absackt: 15.54 Uhr. Ähnliche Ergebnisse kommen aus Großbritannien: Einer britischen Studie zufolge leiden 67 Prozent der Erwachsenen im Vereinigten Königreich unter den „Sunday Scaries“, bei den 18- bis 24-Jährigen sind es sogar 74 Prozent.
Doch wie kommt es zum Sonntagsblues? „Viele können nicht abschalten. Schon der Gedanke an die Arbeit kann zu Stress führen“, sagt Stressexpertin Löhr. Mittlerweile gibt es sogar einen Begriff für diesen gedanklichen Übergang von Sonntag auf Montag: Smonday. Dieser Wechsel sei der Hauptgrund für das Stimmungstief. Und in Zeiten von Homeoffice und zunehmender Flexibilität ist das sogar noch schlimmer geworden. „Die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit verwischen immer mehr. Das macht die Abgrenzung und das Zeitmanagement schwerer“, sagt Löhr.
Auch die Frage, was man unternommen hat, spielt eine Rolle. So kann der Sonntagsblues nach einem erfüllten Wochenende mit viel sozialer Interaktion besonders schwer wiegen. Bei intensiven Erlebnissen wird viel Dopamin ausgeschüttet, „sozusagen ein Feuerwerk im Gehirn“, erklärt Löhr. „Danach muss der Körper erst mal wieder in ein emotionales Gleichgewicht kommen. Wir empfinden so etwas wie einen emotionalen Kater.“
Der erste Schritt, um den Sonntagsblues zu bekämpfen, sei die Wahrnehmung. „Es ist wichtig, genau hinzusehen“, sagt Löhr. Wichtig sei auch, die Emotionen anzunehmen. denn: „Alle Gefühle gehören zum Leben dazu.“
In einem zweiten Schritt sollte man darüber nachdenken, was helfen könnte, um auf andere Gedanken zu kommen. „Ein gutes Zeitmanagement und Selbstorganisation können dabei sehr nützlich sein“, sagt Löhr. Sie rät etwa dazu, den Wochenstart konkret vorzuplanen.
Wenn die Gedanken am Sonntag gar nicht mehr aufhören wollen zu rasen, kann es helfen, einen Zettel mit allen anstehenden Aufgaben zu schreiben. Oder man schickt sich eine Mail an die Arbeitsadresse. „Dann habe ich das aus dem Kopf und kann mich viel besser entspannen“, sagt Löhr.
Ein Trick sei auch, sich für den Montag eine kleine Belohnung bereitzuhalten: „Dann kann ich mich auf den Wochenstart freuen.“ Das können schon kleine Dinge sein, eine Verabredung mit der besten Freundin nach Feierabend etwa.
Doch nicht nur die neue Woche sollte gut organisiert sein. Löhr rät auch, schon im Vorfeld schöne Pläne für das Wochenende zu schmieden. Auch hier sei es wichtig, sich nicht nur grobe Gedanken zu machen, sondern konkret zu planen. Sogenannte Kontrasterlebnisse helfen dabei besonders.
Wer also unter der Woche viel am Schreibtisch sitzt, sollte sich am Wochenende bewegen und in die Natur gehen. „So macht es für das Hirn wirklich einen Unterschied, dass Wochenende ist“, sagt Löhr.
Auch Schlaf spielt eine Rolle im Umgang mit dem Sonntagsblues. Löhr rät am Wochenende maximal eine Stunde länger zu schlafen als sonst, um den Jetlag am Montag zu vermeiden.
Wer merkt, dass sich die schlechte Stimmung vom Wochenende dauerhaft auf die anderen Wochentage überträgt, sollte aufmerksam werden. Wenn die eigenen Strategien nicht helfen, kann man sich an eine offene Beratungsstelle wie zum Beispiel die Caritas oder Profamilia wenden.
Auch ein Gespräch mit der Hausärztin kann ein erster Schritt sein, sagt Löhr: „Das ist hoffentlich eine Vertrauensperson, mit der ich mich in einem geschützten Rahmen austauschen kann.“ Außerdem könne der Hausarzt die Situation professionell einordnen und im Zweifel dabei helfen, einen Therapieplatz zu finden.
Grundsätzlich sei es wichtig, den Sonntagsblues von einer Depression zu unterscheiden. Kritisch wird es, wenn die Niedergeschlagenheit länger als zwei Wochen andauert und jeden Tag zu spüren ist. Dann sollte man sich professionelle Hilfe holen.
Aber: „Wenn man hin und wieder am Wochenende schlechte Laune hat, muss man sich keine Sorgen machen“, sagt Löhr.