Diskussion um zentrale Schulferien
Bildungsverbände sehen Vorteile, wenn die Schulen in allen Bundesländern gleichzeitig schließen würden.Doch es gibt auch Nachteile – vor allem aus Sicht des Tourismus

Ferien für alle zur selben Zeit? Tourismusverbände sind dagegen.Symbolfoto: Josh Mills / Unsplash

Die Schulferien sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, andererseits werden immer mehr Abschlussprüfungen an den Schulen deutschlandweit am selben Tag abgelegt. Lehrkräfte in Niedersachsen haben in diesem Jahr besonderen Abiturkorrekturstress und fürchten um ihre Gesundheit. Bildungsverbände fordern deshalb zentrale Sommerferien.

Wieso könnten zentrale Sommerferien Lehrkräfte entlasten?

Um das Abitur vergleichbarer zu machen, werden in immer mehr Fächern die Abschlussklausuren an denselben Tagen geschrieben. In diesem Jahr gab es nicht nur für Deutsch, Englisch, Französisch und Mathematik, sondern erstmals auch für die Naturwissenschaften Chemie, Biologie und Physik zentrale Prüfungstermine. Je früher die Sommerferien beginnen, desto kürzer ist die Korrekturphase. So haben Lehrkräfte etwa für das Englischabitur nur 18 Werktage Zeit, um die Arbeiten vom Prüfer, Zweitkorrektor und Fachprüfungsleiter begutachten zu lassen, während Pädagogen in Bayern noch einen Monat zusätzlich haben.

Welche Vorteile könnten Schülerinnen und Schüler davon haben?

Stefan Bungert von der Direktorenvereinigung weist darauf hin, dass gleich lange Schulhalbjahre Druck aus der Schule nehmen könnte. Auch die Vorbereitungsphasen für Abschlussprüfungen wären fairer verteilt. Dieses Argument lässt Renate Mitulla, Geschäftsführerin vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Niedersachsen, nicht gelten. Es sei egal, ob der Lernstoff eines Schuljahres im November oder im März behandelt werde, sagt sie. Das Bildungssystem müsse grundsätzlich reformiert werden.

Was halten Eltern von zentralen Sommerferien?

Gleichlange Halbjahre können die Unterrichtsplanung erleichtern, sagt Christine Winter vom Landeselternrat. Allerdings hat das Gremium noch keine abgestimmte Meinung zu dem Thema. Elternvertreterin Winter weist allerdings darauf hin, dass eine viel kürzere Haupturlaubszeit vermutlich im Juli und August wahrscheinlich zu einem Preisanstieg im Tourismus führen werde. Das sei sicher nicht im Sinne der Familien.

Wie reagiert die Tourismusbranche auf die Forderung nach zentralen Ferien?

„Aus unserer Sicht ist das keine gute Idee“, sagt Christoph Ricking vom Wirtschaftsministerium. Sowohl für die Tourismusbetriebe und -regionen als auch die Gäste hätten zentrale Sommerferien negative Folgen. Es gäbe eine kurze und vermutlich stark überbuchte Hauptsaison, überfüllte Urlaubsorte, zu erwarten sei eine schlechtere Qualität bei höheren Preisen.

Auch der Dehoga-Verband, der rund 5000 Gastronomiebetriebe im Land vertritt, lehnt eine Harmonisierung der Sommerferien ab. „Wir haben nur eine begrenzte Anzahl an Kapazitäten“, sagt Geschäftsführerin Mitulla, „und die könnten nur einmal gebucht werden.“ Statt einer Verkürzung des Ferienkorridors fordert der Dehoga stattdessen eine Ausdehnung um zwei Wochen bis Ende September.

Kritik kommt auch vom ADAC. „Schon jetzt ballt sich in den Sommerferien der Hin- und Rückreiseverkehr an den Wochenenden“, sagt Sprecherin Sarah Kaiser, „ein enger Ferienkorridor würde für zusätzliche, vermeidbare Staus sorgen.“ Auch der ADAC plädiert für eine weitere Entzerrung der Ferientermine. Obwohl der Sommerferienkorridor sich über 90 Tage von Mitte Juni bis Mitte September erstrecke, verteilten sich die Ferientermine von 2018 bis 2024 jedoch nur über durchschnittlich 84,6 Tage.

Für eine Entzerrung plädiert auch Holger Heymann, Vorsitzender des Tourismusverbandes Niedersachsen. Dies sei nicht nur aus ökonomischen Gründen sinnvoll, damit Beherbergungsbetriebe ihre Betten optimal auslasten könnten, sondern auch, weil im Sinne der Nachhaltigkeit Verkehrsströme entzerrt werden sollten.

Wie reagieren die Tourismusregionen?

Wirtschaftlich gesehen seien zentrale Sommerferien Unsinn, sagt Ulrich von dem Bruch von der Lüneburger Heide GmbH. Dies führe zu erheblichen Umsatzeinbußen und dem Verlust zahlreicher Arbeitsplätze. Mario Schiefelbein von der Tourismus-Agentur Nordsee in Wilhelmshaven sieht als Folgen: „Höhere Preise, übervolle Strände und vermehrte Staus sowie die damit einhergehende schwindende Tourismusakzeptanz der einheimischen Bevölkerung.“ Ähnlich äußert sich sein Kollege Malte Keller von der Nordsee-Tourismus-Service GmbH in Schleswig-Holstein. Christin Wohlgemuth vom Harzer Tourismusverband unterstreicht, dass in überlaufenen Urlaubsorten Erholung gar nicht möglich sei.

Wie werden die Ferientermine überhaupt festgelegt?

Die Sommerferien werden in der Kultusministerkonferenz langfristig im Voraus festgelegt. Derzeit stehen schon die Termine bis 2030 fest. Dabei beteiligen sich fast alle Bundesländer an einem Rotationsprinzip. Nur Bayern und Baden-Württemberg nicht. Sie argumentieren, dass in den landwirtschaftlich geprägten Ländern die Kinder im Spätsommer bei der Ernte helfen müssen. Im Schuljahr gibt es in Niedersachsen 75 Tage Schulferien. Die anderen Ferienzeiten legen die Länder individuell fest.



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