„Liebe will riskiert werden“
Hannovers neuer Schauspielintendant Vasco Boenisch und sein Team stellen ihren Spielplan vor

Die neue Intendanz des Schauspiel Hannover, Cathrin Rose (Junges Schauspiel), Vasco Boenisch (Schauspiel Hannover) und Valerie Göhring (Leitende Dramaturgin) stellt ihre Pläne für die Spielzeit 25/26 vor. Foto: Nancy Heusel
Hannover. Vasco Boenisch lächelt fein. „Willkommen im neuen Wärmezentrum des deutschsprachigen Theaters“, sagt der neue Intendant des Schauspiels Hannover bei der Vorstellung des Programms für seine erste Spielzeit. Mit dem Motto „Liebe will riskiert werden“ ist sie überschrieben, und im neuen großformatigen und sehr farbenprächtigen „Spielzeit“-Heft ist eindrucksvoll dargestellt, wie dieser Spagat zwischen Zugewandtheit und Wagnis gelingen soll.

24 Premieren, darunter zehn Uraufführungen und drei deutschsprachige Erstaufführungen, umfasst die Spielzeit. Zwei Stammgäste des Berliner Theatertreffens eröffnen und beenden mit ihren Regiearbeiten die Spielzeit 2025/2026: Als Eröffnungspremiere am 11. September läuft „Pride“ von Falk Richter, ein Stück über queere Identitäten. Letzte Premiere der Spielzeit ist am 22. Mai „Schwindel“ vom großen Theater-Dadaisten Herbert Fritsch.

Viele große Namen stehen auf dem Programm: Lena Brasch inszeniert auf der Cumberlandschen Bühne Sibylle Bergs Monolog „Ein wenig Licht. Und diese Ruhe“ mit Schauspielstar Katja Riemann (ab 26. September). Adrian Figuero adaptiert den Roman „Heimsuchung“ von Man-Booker-Preisträgerin Jenny Erpenbeck für die Bühne des Schauspielhauses. Ab 18. Oktober ist dort „Das neue Leben” des jüngst mit dem Theaterpreis Berlin ausgezeichneten Regisseurs Christopher Rüping zu sehen, eine Übernahme vom Schauspielhaus Bochum. Dort war Boenisch zuletzt als Chefdramaturg beschäftigt.

Ein besonderes Augenmerk legt diese Intendanz auf das Theater für Kinder und Jugendliche. Cathrin Rose übernimmt das Junge Schauspiel und richtet sich mit fünf Inszenierungen auch an ein deutlich jüngeres Publikum als bislang. „Der unsichtbare Mann” etwa (ab 13. September im Ballhof Eins) richtet sich bereits an Vierjährige. Das große Familienstück der Spielzeit wird „Schneekönigin” in einer Inszenierung der Niederländerin Moniek Merkx sein (ab 9. November im Schauspielhaus). Als integralen Bestandteil ihrer Arbeit betrachtet Rose einen noch zu bildenden „Draufsichtsrat“, ein Gremium aus Kindern und Jugendlichen, das beraten und unterstützen soll.

„Unsere Radikalität im Theater heißt Humanismus”, sagt Boenisch. „Unsere Antwort sind unsere Fragen. Unsere Alternative ist unsere Vorstellungskraft.“ Er setzt den Kurs der Diversifizierung seiner Vorgängerin Sonja Anders fort. 58 Prozent der anstehenden Stücke werden von Frauen inszeniert, erwähnt er und fügt hinzu: „Ab dem heutigen Tag werden wir nicht mehr darüber sprechen; wir werden es einfach machen.“

Die neue leitende Dramaturgin Valerie Göhring, die vom Berliner Maxim Gorki Theater kommt, betont: „Mir ist wichtig, dass der Spielplan als Einladung verstanden wird – eine Einladung, sich jeden Abend neu überraschen zu lassen.“ Wem es einmal nicht gefallen haben sollte, müsse einfach wiederkommen: Der nächste Abend werde gewiss ganz anders.

Das Themenspektrum reicht von der Lebenswelt Blinder („Mit anderen Augen“, ab 13. September im Schauspielhaus) über einen Hildegard-Knef-Liederabend („Ich will alles – oder nichts!“, ab 12. Dezember) bis zu Künstlicher Intelligenz („Der Geist in der Hamletmaschine“, ab 27. Februar). Auch ein Niedersachsen-Krimi steht auf dem Programm: „Die Frau mit den vier Armen” nach dem Roman von Jakob Nolte (ab 2. Oktober im Ballhof Zwei).

28 Menschen gehören zum neuen Ensemble. Aus der bisherigen Intendanz bleiben Johanna Bantzer, Philippe Goos, Anja Herden, Stella Hilb, Alrun Hofert, Max Landgrebe, Yasmin Mowafek, Nils Rovira-Muñoz und Tom Scherer. Mohamed Achour, der von 2019 bis 2022 in Hannover spielte, kehrt zurück ins Ensemble. Alle Spielenden möchte Boenisch im neuen Podcast „Der Rest ist Schweigen“ vorstellen.

Acht Produktionen werden weiterhin gespielt: „Betonklotz 2000″, „Blutbuch“, „Der wunde Punkt“, „Die Wut, die bleibt“, „Ein Mann einer Klasse“, „Goethes Faust – allerdings mit anderem Text und auch anderer Melodie“, „Mohameds Odyssee“ und „Und alle so still“. Zwei davon („Wut“ und „Faust“) werden auch an der neuen Wirkungsstätte von Sonja Anders, dem Hamburger Thalia Theater, zu sehen sein. Und: Regisseurin Jorinde Dröse und Schriftstellerin Mareike Fallwickl setzen nach „Die Wut, die bleibt“ und „Und alle so still“ ihre Zusammenarbeit fort und realisieren „Iconic“ über Sisi, Lady Di und die Welfinnen.

Die Reihe „Universen“, die in ihrer jetzigen Form gerade Abschlussfestival feiert, soll fortgesetzt und eher noch ausgebaut werden. Betreut wird sie vom neuen Team der Stadtdramaturgie um Cathrin Rose. Die Ensemblereihe „Cumber libre” wird ebenso fortgesetzt. Neu sind die Gesprächsreihen „Chronik der laufenden Entgleisungen“ und „Drinks und Dramaturgie“.

Der Vorverkauf für die Abo-Serien der neuen Spielzeit hat bereits begonnen; der Rest folgt am 16. Juni. Ab sofort bieten Boenisch und Team Hausbesuche an, bei denen sie in Privatwohnungen über ihre Arbeit sprechen wollen (Anmeldung unter hausbesuch@staatstheater-hannover.de). Ende August geht es richtig los: mit einer Party am 30. und dem traditionellen Hoffest am 31.

Druckansicht