Manche Betroffene, die den Führerschein nach Alkohol- oder Drogenkonsum abgeben mussten, zahlen Tausende Euro für ihre MPU-Vorbereitung – ohne die Untersuchung dann letztlich zu bestehen. Viele lernen im Rahmen der „Vorbereitung“ schlicht Antworten mithilfe personalisierter Schablonen auswendig.
Hintergrund für den Beratungsboom sind die hohen Durchfallquoten bei der MPU, bei der es darum geht, eine Verhaltensänderung nachzuweisen. Zwei von fünf Probanden bestehen die MPU nicht und müssen gegebenenfalls einen neuen Anlauf nehmen. Je nach Vergehen und Begutachtungsstelle kostet das allein für die MPU zwischen 600 und 900 Euro.
Seit Jahren wächst im Internet ein unregulierter Markt an MPU-Vorbereitungsangeboten. Der Begriff ist nicht geschützt. Nicht nur Verkehrspsychologen, Tochterunternehmen von TÜV und Dekra oder andere seriöse Stellen dürfen also entsprechende Unterstützung anbieten, sondern praktisch jeder, der sich mit einem selbst kreierten Angebot selbstständig macht.
Die Folge: In der Branche gibt es immer mehr schwarze Schafe. Wer im Internet nach dem Begriff „MPU-Vorbereitung“ sucht, landet schnell auf Seiten, die mit Slogans wie „MPU ohne Abstinenz“ oder völlig unrealistischen Zeiträumen zur Rückerlangung des Führerscheins werben.
Die Sedura-MPU-Beratung etwa fällt durch besonders offensives Marketing auf. Sie wirbt für sich nicht nur mit „Erfolgsgeschichten“ von Absolventen, die mit 708 Punkten in Flensburg die MPU bestehen, sondern auch mit vermeintlichen Presseberichten in Medien wie „Süddeutscher Zeitung“, „Focus Online“ oder „Münchner Merkur“. Bei genauem Hinschauen entpuppen sich diese Jubelstorys jedoch als Pressemitteilungen, die über das Presseportal Ots automatisch auf dafür bestimmte Internetseiten der Verlagshäuser ausgespielt werden. Es sind keineswegs redaktionelle Beiträge der Medien.
Zuletzt hat sich auch der Verkehrsgerichtstag in Goslar erneut mit den dubiosen Geschäften rund um die MPU befasst. „Der Markt der unseriösen und zum Teil kriminellen MPU-Vorbereiter floriert mehr denn je“, beklagte dort der Verkehrstherapeut Stefan Swat aus Köln. Für Hilfesuchende sei es schwer, zwischen seriösen und unseriösen Angeboten zu unterscheiden. Darüber hinaus droht Gefahr auch für alle anderen Autofahrer. „Wer mit unentdeckten gefälschten Bescheinigungen oder auswendig gelernten Lügengeschichten eine positive MPU erzielt, stellt nach der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ein erhebliches Verkehrsrisiko dar“, kritisierte Swat.
Das sieht auch Ralf Rieser so. Als Vorsitzender der Sektion Verkehrspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen ist er seit vielen Jahren mit dem Thema MPU befasst. Es gebe mittlerweile Zehntausende, die weiterhin Auto fahren, obwohl sie dazu nicht geeignet seien: „Das hat enormes Gefährdungspotenzial.“
Denn wer sich nicht mit den Gründen für seinen Führerscheinentzug befasse, also seinen Alkohol- oder Drogenkonsum kritisch hinterfrage, komme nicht zum Kern des Problems, betont der Psychologe. „Es geht um eine echte Verhaltensänderung und stabile Einstellungen, nicht nur um eine oberflächliche Geschichte, die dem Gutachter in der MPU erzählt wird.“
Rieser ergänzt: „Auch Verbraucherschutz ist wichtig. Den Leuten wird das Geld aus der Tasche gezogen.“ Die Summen seien oft deutlich höher als die einer qualifizierten Beratung durch diplomierte Psychologen.
Um die Situation zu entschärfen, empfehlen die Experten: Die Fahrerlaubnisbehörden sollten die betroffenen Autofahrer schnellstmöglich – am besten schon beim offiziellen Führerscheinentzug – darüber informieren, dass nicht nur die Wartezeit, sondern gegebenenfalls auch andere Auflagen wie Abstinenzphase und MPU notwendig sind, um den Führerschein zurückzuerlangen. Bisher passiert das oft erst viele Monate später.
Auch eine Positivliste mit seriösen Anbietern, die nach Qualitätskriterien beraten, sollte erstellt und den Betroffenen ausgehändigt werden, empfehlen die Experten. Sie fordern auch, die steigende Zahl von Manipulationsversuchen und Straftaten konsequent anzuzeigen und strafrechtlich zu bekämpfen.
Dass sich in absehbarer Zeit gesetzlich etwas ändert oder die Vorbereitung reguliert wird, ist nicht zu erwarten. Das Bundesverkehrsministerium werde das Thema mit den Bundesländern erörtern, teilte eine Sprecherin mit. Die Empfehlungen würden sich jedoch in erster Linie an die Länderbehörden richten.
Psychologe Rieser sieht dennoch Fortschritte. „Wer früh Bescheid weiß, kann die Zeit nutzen, um sich ehrlich mit den Ursachen für den Führerscheinentzug auseinanderzusetzen.“ Fragwürdige Hauruckmethoden à la „MPU-Erfolg in vier Wochen“ würden dann auch weniger attraktiv.