So ist das beim Treffen mit Lutz Krajenski, Hannovers bekanntestem Organisten: Man stellt eine Frage, und er erzählt und erzählt und erzählt. Krajenski tut das nicht, weil er sich besonders wichtig nähme. Aber er ist elektrisiert von seinem neuen Soloalbum, das er aufgenommen hat, voller Songs, die, wie er sagt, „nicht am Reißbrett entstanden sind, sondern aus Emotionen heraus“.
Es heißt „B-3, Vol. 2“ (Agogo Records): „B-3“ nach dem Hammondorgel-Modell B3 und „Vol. 2“, weil es Krajenskis zweites reines Hammondorgel-Album ist. Und es ist ein durch und durch erstaunliches Werk. War der Vorgänger noch ein eher klassisches Orgelwerk, jazzig und funky mit den für das Instrument so typischen ausufernden Melodielinien, besticht „Vol. 2“ durch große Zurückhaltung, jeder Song aufs Maximum reduziert, manchmal fast kühl und zurückhaltend und doch voller Wärme und Seele, vertrackt und zugleich klar. Bilder über Bilder entstehen im Kopf, als höre man einen Soundtrack, den die Regisseure Fatih Akin und Quentin Tarantino für einen Film zusammengestellt haben, den sie erst noch drehen müssen.
Krajenski mag diese Assoziation. „Es hat viele Soundtrackdimensionen“, sagt er. „Was mich freut, ist, dass dieses Album den Hammond-Sound aus einer ganz neuen Blickrichtung anguckt.“ Sein alter Bekannter Dirk Berger, Gitarrist und Produzent von Künstlern wie Peter Fox, Seed und Marteria, hatte den Kontakt zum Deutsch-Japaner Sammon Kawamura herstellen können. Nach einem ersten Kennenlerntreffen Anfang 2024 in Berlin schlossen sie sich im Frühjahr für zwei Tage in Krajenskis Studio in Linden ein und legten los. „Wir haben es echt flowen lassen“, erinnert sich Krajenski. „Das kann auch echt in die Hose gehen. Aber hier habe ich von der ersten Sekunde an gedacht: Alter, ist das geil, wie anders die Musik machen, denken und produzieren.“
Der 52-Jährige redet an diesem Abend fast ausschließlich über das Album. Das ist, was gerade zählt. Dass er mal der Bandleader von Roger Cicero war und mit ihm Deutschland beim Eurovision Song Contest vertrat, spielt ebenso wenig eine Rolle wie seine Arbeiten für Mousse T., Inga Rumpf, Tom Jones, Ulrich Tukur und viele andere oder seine traditionellen Big-Band-Konzerte mit Oliver Perau alias Juliano Rossi. Dass er auch die Livearrangements der aktuellen Gaultier-Show im Berliner Friedrichstadt-Palast verantwortet, erwähnt er nur nebenbei.
„B-3, Vol. 2“ hat neue Energien in ihm geweckt. „Es gab immer den Big-Band-Lutz, den Popproduktion-Lutz, den Jazz-Lutz, und jeder Lutz ist relativ engstirnig an die Sachen herangegangen“, sagt er. „Aber ich habe nie gesagt, das ist doch alles derselbe Lutz, und das miteinander verbunden.“ Endlich sei es ihm nun gelungen. Am 23. Februar, spielt er beim Konzert für Menschen in der Ukraine in der Markuskirche.
„Dieses neue Album ist echt ein Meilenstein, es hat so viel mit mir gemacht, auch für das, was jetzt noch kommt“, sagt er. Die wichtigste Erkenntnis: „Musik will am Ende schön sein, sie will am Ende geil sein. Sie hat eine unglaubliche Kraft. Das hat mir diese Produktion gezeigt.“