In Lena Benders Konzerten ist immer richtig viel Trubel: Da wird nicht leise zugehört, sondern lautstark mitgemacht. Wenn die Musikerin singt, „er hüpft, er hüpft, er hüpft den ganzen Tag”, dann hüpfen alle Kinder mit. Und wenn der lustige Song vom Wackelschwein kommt, dann wackeln alle Kinder um die Wette. Still am Platz bleibt da niemand sitzen.
Das ist volle Absicht. Denn die Liedermacherin aus Hannover will vor allem eines: Die intuitive Freude an der Musik, die die Allerkleinsten noch haben, so bestärken, dass Singen und Musik einen festen Raum im Leben der Kinder bekommen.
Bei vielen Eltern läuft sie offene Türen ein. Ihre „Singelpietz”-Musikkurse für Kinder ab drei Jahren sind auf Monate ausgebucht, ihre Konzerte Wochen vorher ausverkauft. In den Kinderzimmern werden ihre Lieder gestreamt und auf Tonie-Musikboxen geladen, ihre Liederbücher mit eigenen und bekannten Songs, Reimen und Fingerspielen nutzen viele Familien in Hannover.
„Es ist eine riesige Nachfrage da“, sagt Bender, „es gibt zu wenige Angebote für Kinder.“ Auch in vielen Kitas werde seltener musiziert. Die Musikpädagogin betont, dass es ihr nicht um eine Kritik an den Erzieherinnen geht: „Sie tun ihr Bestes, und wir wissen alle, wie personell unterbesetzt die Kitas sind.“
Von Seiten der Stadt wird betont, dass musikalische Früherziehung ein Bestandteil im niedersächsischen Orientierungsplan für Bildung und Erziehung sei. Die Kitas würden Angebote sowie eigene Projekte wie zum Beispiel Trommelangebote umsetzen, aber auch mit anderen Institutionen kooperieren.
In die Kirchröder Kita Neunkirchener Platz kommt beispielsweise seit drei Jahren eine Musikpädagogin der Musikschule Hannover. Ihr Angebot ist offen für Kinder ab vier Jahren, die Kita hält Instrumente von Klanghölzern bis zum E-Piano bereit. Außerdem bieten engagierte Erzieherinnen montags eine Tanzgruppe und freitags einen Singkreis an. „Wir sind da sicher außergewöhnlich breit aufgestellt“, sagt Kita-Leiterin Stefanie Harden. Ihr Engagement begründet sie mit den positiven Erfahrungen, die sie gemacht hat: „Musik tut allen Kindern gut, aber besonders profitieren diejenigen, denen es noch schwerfällt, sich sprachlich auszudrücken oder die zurückhaltender sind. Hier können sie leichter Emotionen zeigen.“
Andreas Hentschel, Leiter vom Musik College Hannover, bildet auch Fachkräfte für die musikalische Früherziehung aus. Er wünscht sich einen größeren Stellenwert für das Fach: „Deutschland fehlt eine breite Musikkultur, wie sie in anderen Ländern gefördert wird.“ Das sähe man schon in den Schulen - Musik und Kunst wären immer die ersten Fächer, die gestrichen würden. Auch in der Ausbildung der Erzieher und Erzieherinnen käme beispielsweise das Erlernen eines Instrumentes nicht vor.
Dabei sei musikalische Früherziehung wichtig und nicht nur eine unterhaltsame Aktivität, sagt Hentschel: Denn durch Reime, rhythmische Bewegungen und Gesang würden Motorik, soziale Interaktion, Konzentration und Teamarbeit gestärkt sowie die sprachliche Entwicklung gefördert.
Viele Studien zeigen tatsächlich: Musizieren und Singen regt die Aktivität beider Gehirnhälften an. Kinder, die früh musikalisch gefördert werden, entwickeln oft ein besseres Gefühl für Sprachrhythmus. Der hilft, Buchstaben und Laute zu verbinden. Sie nehmen die Struktur und den Fluss von Sprache besser wahr, können leichter Silben trennen und die richtige Betonung erkennen. Außerdem unterstützt ein gutes Rhythmusgefühl später den gleichmäßigen Lesefluss und ermöglicht, Pausen an den richtigen Stellen zu setzen. Außerdem: Durch das Erkennen von Mustern und Rhythmen entwickeln Kinder ein besseres Verständnis für Zahlen und Mathematik.
Daher rät Lena Bender: „Eltern sollten viel singen und früh Musikrituale einführen. Ich habe ab der Geburt meines Sohnes zu jeder Handlung Lieder ausgedacht und gesungen – beim Stillen, Einschlafen und Wickeln.“
Die Eltern möchte sie ermutigen, keine Scheu zu haben. „Jeder kann singen“, sagt sie: „Wenn wir nicht Vorbild sind, weil wir uns schämen zu singen, geben wir das Gefühl an unsere Kinder weiter.“
Auch Andreas Hentschel rät zu einem möglichst frühen Umgang mit Musik. „Gerade für Eltern, die sich nicht trauen, mit ihren Kindern zu musizieren, sind die Eltern-Kind-Musikkurse gut.“ Denn in den Kursen werde den Kindern nicht nur die Freude an Musik vermittelt, sondern auch die Eltern bekämen viele Anregungen, wie sie mit ihrem Nachwuchs singen und dessen musikalische Aktivitäten sensibel begleiten können.