Tatsächlich können Paprika, Chili, Tomaten oder Auberginen unter passenden klimatischen Bedingungen mehrere Jahre alt und immer wieder geerntet werden, sagt Katrin Kell, Diplomingenieurin für Gartenbau an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Doch dafür fehlen in Deutschland das Licht und die Wärme – sodass es bei den Nachtschattengewächsen dann doch bei der einjährigen Ernte bleiben muss. Doch es gibt andere Gemüsesorten, die nicht nur den deutschen Winter überstehen, sondern sich auch mehrere Jahre ernten lassen.
„Unter Gemüse versteht man ganz allgemein Pflanzenteile, die für den menschlichen Verzehr geeignet sind“, erklärt die Gartenbauingenieurin. Konkret unterscheidet man zwischen einjährigen Gemüsearten wie Salat oder Radieschen und zwei- oder mehrjährigen Pflanzen. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass im Winter die oberirdischen Pflanzenteile absterben und im Wurzelwerk Nährstoffe gespeichert werden, sodass sie im nächsten Jahr wieder austreiben. Möhren und Kohl gehören beispielsweise zu den zweijährigen Gemüsepflanzen: Im ersten Jahr bilden sie Blätter oder Wurzeln. Wenn sie nicht geerntet werden, blühen sie im zweiten Jahr und bilden anschließend Samen.
Und dann gibt es noch die mehrjährigen Gemüsepflanzen. Diese haben laut Kell eines gemeinsam: Sie können unter unseren klimatischen Bedingungen nicht nur überwintern, sie lassen sich auch jedes Jahr wieder ernten. Das war es dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten.
„Unter den mehrjährigen Gemüsesorten gibt es zahlreiche botanische Gattungen – und mit jeder Pflanzenfamilie gehen verschiedene Eigenschaften einher“, so die Gartenbauexpertin. Ein ganz praktisches Beispiel sind Spargel und Rhabarber. Zwar sind beide mehrjährig, Rhabarber jedoch gehört zu den Knöterichgewächsen, Spargel zu den Spargelgewächsen. Beim Spargel gibt es männliche und weibliche Pflanzen und jedes Jahr eine Blüte, während der Rhabarber längst nicht jedes Jahr blüht. Auch der Blattaufbau und die Bodenansprüche der Pflanzen sind unterschiedlich. Kurz gesagt: Über einen Kamm scheren lässt sich mehrjähriges Gemüse nicht.
Aber: Die Mehrjährigen ersparen Hobbygärtnern und Hobbygärtnerinnen Arbeit, können die Kulturen doch über den Winter stehen bleiben. Es braucht keine extra Bodenbearbeitung – und die ständige Bodendurchwurzelung schützt vor Erosion. „Hinzu kommen die individuellen Vorteile der einzelnen Arten“, sagt Kell. Spargel etwa hat eine nektar- und pollenreiche Blüte, über die sich Insekten freuen. Kein Wunder, dass grüner Spargel zu Kells Lieblingsarten unter den mehrjährigen Gemüsen gehört. „Besonders lecker finde ich auch den Knollenziest. Die Pflanze vermehrt sich als Bodendecker von selbst.“
Im Frühjahr oder Herbst lassen sich die kleinen weißen Knollen, die an Michelin-Männchen erinnern, ausgraben – und als Gemüse zubereiten. In Frankreich und der Schweiz, so die Expertin, galt der Knollenziest lange als besondere Delikatesse, ist aber inzwischen aus dem konventionellen Anbau verschwunden.
Bei den Dauerkulturen können wir Deutschen von anderen europäischen Ländern lernen: Die Artischocke wird in Italien und Spanien traditionell angebaut, führt hierzulande aber eher ein Nischendasein. Strigoli, auch Taubenkropfkraut genannt, verwendet man in Italien für Suppen, Risotto oder Nudeln. In Deutschland nutzt man die krautähnliche Pflanze dagegen kaum.
Wer auf der Suche nach einer essbaren Staude ist, die auch noch schön blüht, dem empfiehlt Kell die Taglilie. „Die wenigsten wissen, dass die Blüten und jungen Blätter der Taglilie nicht giftig sind, sondern richtig lecker schmecken – und in Blattsalaten auch noch hübsch aussehen.“
Für den Anbau und die Pflege von mehrjährigem Gemüse lassen sich aufgrund der gattungsspezifischen Eigenschaften keine allgemeingültigen Ratschläge geben. „Bei Rhabarber, Spargel oder anderen Pflanzen, bei denen Blätter oder Stängel geerntet werden, sollten Gärtner unbedingt darauf achten, dass nicht ganzjährig geerntet werden kann“, rät die Expertin.
Die Pflanzen lagern über die Blattmasse Kohlenhydrate für den Winter als Vorräte ein. Wer zu lange erntet, nimmt der Pflanze die Möglichkeit, Reserven anzulegen und sorgt dafür, dass sie so über die Jahre immer schwächer wird. Für Spargel und Rhabarber gilt deshalb: Höchstens bis zum Johannistag – dem 24. Juni – ernten.
Und noch etwas gibt es zu beachten: Einige mehrjährige Gemüsearten wie Topinambur oder Knollenziest wuchern stark. Wer das nicht möchte, sollte schon beim Auspflanzen an einen Wurzelschutz oder eine Beetbegrenzung denken. Die Expertin rät, sich vorab mit den Eigenschaften der Gemüseart zu beschäftigen, die man pflanzen möchte. Generell haben winterharte Gemüsepflanzen aus ihrer Sicht großes Potenzial: „Mehrjähriges Gemüse ist aus meiner Sicht ein echter Trend“, sagt Kell. „Immer mildere Winter sorgen dafür, dass in Zukunft noch mehr Pflanzen mehrjährig genutzt werden können – das ist für den privaten Gemüseanbau absolut spannend.“