„Ich kam mit dem Fahrer zufällig ins Gespräch, der viel für die Üstra warb. Das machte mich neugierig“, sagt Slavnic. Resonanz auf die Bewerbung: Am 1. Juli hat der gebürtige Hannoveraner seine Ausbildung begonnen, Mitte August seine theoretische Führerscheinprüfung bestanden, und am 18. September hat der 25-Jährige seine Fahrprüfung. Dann geht‘s zur internen Schulung – voraussichtlich ab Spätherbst wird er einen Üstra-Bus durch Hannover lenken.
Diesem Tag sieht Slavnic mit großer Freude entgegen. „Ich bin sehr glücklich. Zuerst hatte ich Respekt vor dem großen Bus, inzwischen macht das Fahren Spaß, jeder Tag ist abwechslungsreich“, sagt der Familienvater. Nie im Traum hätte er gedacht, dass er eines Tages einen Linienbus durch Hannover lenken wird. „Es beginnt dann ein neuer Lebensabschnitt“, sagt Slavnic.
Szenenwechsel. Frank Ahrndt hat seinen Arbeitsplatz auf dem Üstra-Betriebshof Mittelfeld. Seit 2018 ist er Leiter des Unternehmensbereichs Busbetrieb mit 570 Mitarbeitenden. Dazu gehören etwa die Entwicklung der E-Flotte, das On-Demand-System Sprinti, das neue Stadtbus-Konzept der Üstra, die Fahrerausbildung, aber auch die jetzt angeschobene Fahrplanreduzierung bei 13 Buslinien.
Denn der Üstra fehlen Männer und Frauen am Lenkrad. Die Gründe sind vielfältig: Manche bauen noch immer Überstunden aus der Corona-Zeit ab. Stress mit Kunden und Kundinnen wegen verspäteter Abfahrten erhöhen den Krankenstand. Die Fahrerinnen und Fahrer müssen das ausbaden, obwohl Verspätungen oft nur eine Folge von Baustellen und Straßensperrungen sind. Dritter Grund: die natürliche Fluktuation, etwa durch Renteneintritte. „Bis wir das Defizit ausgeglichen haben, dauert es. Für die Fahrerausbildung müssen und wollen wir uns Zeit nehmen“, sagt der Busbetriebsleiter.
Wer einen Linienbus lenkt, muss nicht nur die Technik am und im Fahrzeug beherrschen. Er muss auch sicher auf den Straßen unterwegs sein – egal, bei welcher Verkehrslage. Heißt in der Praxis: Einen Busführerschein bei der Üstra zu machen, dauert rund fünf, sechs Monate. 100 Fahrer und Fahrerinnen bildet das Unternehmen im Jahr aus. Etwa 40 Lenker scheiden aus verschiedenen Gründen pro Jahr aus. Der tatsächliche Zuwachs beim Fahrpersonal liege also bei 60 Mitarbeitenden, berichtet Frank Ahrndt.
Wer sich für den Job interessiert, landet am Schluss seiner Ausbildung bei Andreas Görlich, einem von vier Ausbildern bei der internen Fahrschule. Den Führerschein Klasse D, der zur Beförderung von Personen berechtigt, machen die Anwärter und Anwärterinnen zunächst im Betriebshof Döhren. Danach kommen sie zu Ausbilder Görlich ins Depot in Mittelfeld. Für den letzten Feinschliff. Bei ihm, dem erfahrenen Ausbilder und seinen Kollegen, werden die Bus-Azubis fit gemacht für die Straße.
Drei Lehrgänge mit jeweils sechs Teilnehmenden laufen aktuell parallel. Ab Januar soll ein vierter Lehrgang hinzukommen. „Bei uns in Mittelfeld lernen die Kollegen und Kolleginnen zum Beispiel die Strecken kennen, wir bringen ihnen Tarife und Beförderungsbedingungen bei, die Kommunikation mit der Leitstelle und den Umgang mit dem Bordrechner“, sagt Görlich. „Knöpfchenkunde“ nennt der Üstra-Instrukteur das umgangssprachlich. Allein der Blick auf den Bordcomputer in der Fahrerkabine macht deutlich, dass ein Linienbus längst ein Hightech-Gefährt ist.
Die aktuellen Bus-Azubis der Üstra repräsentieren einen Querschnitt der Stadtgesellschaft. Sie sind zwischen 20 und 59 Jahre alt. Viele Quereinsteiger sind dabei. Sie gefunden zu haben, ist das Ergebnis strategischer Personalgewinnung: Neben den üblichen Stellenausschreibungen setzt die Üstra auf andere Firmen. Wenn das Verkehrsunternehmen von Betriebsschließungen oder Entlassungen erfährt, nimmt es Kontakt zum Betrieb auf, in der Regel über den Betriebsrat.
Die Recruiting-Abteilung der Üstra stellt sich vor und bietet Jobs an. Es folgen Info-Veranstaltungen entweder bei der Üstra oder beim Unternehmen vor Ort. Meist sind das größere Betriebsversammlungen. „Bei diesen Terminen berichten wir dann über Berufsmöglichkeiten bei der Üstra. Wir stellen Schichtpläne, Arbeitsbedingungen und Vergünstigungen vor und beantworten Fragen der potenziellen Bewerber“, berichtet Frank Ahrndt. „Im besten Fall überzeugen wir sie von der Üstra, und die Menschen bekommen eine neue berufliche Perspektive“, sagt er. Zuletzt habe man dies mit Erfolg beim Personaldienstleister Autovision und der Wolfsburg AG gemacht.
Wer sich im Bewerbungsgespräch als geeignet zum Busfahren herausstellt, bekommt von seinem ersten Üstra-Tag an volles Gehalt. Die Kosten für die Ausbildung mit Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer übernimmt ebenfalls das Verkehrsunternehmen. Sie belaufen sich nach Angaben von Frank Ahrndt auf etwa 25.000 bis 30.000 Euro. Dafür verpflichtet sich der Bus-Azubi, eine Zeit lang bei der Üstra zu bleiben – anderenfalls muss er die Ausbildungskosten zurückzahlen. Die Abbrecherquote sei eher gering. Der Anteil Frauen, die Bus fahren wollen, liegt nach Unternehmensangaben bei etwa 20 Prozent. Für Ausbilder Andreas Görlich auch wichtig: „Mit unseren Quereinsteigern haben wir gute Erfahrungen gemacht.“ Frank Ahrndt ist darum zuversichtlich. „Die Talsohle ist durchschritten“, sagt er.