Er schreibt Geschichte
Thomas Wandschneider (60) vom VfL Grasdorf gewinnt Paralympics-Bronze

Traum erfüllt: Thomas Wandschneider gewinnt die erste Medaille im Badminton für Deutschland bei den Paralympics und bei Olympia. Der 60-Jährige vom VfL Grasdorf holt Bronze. Foto: Steph Chambers
Hannover. Am Ende feuerte Thomas Wandschneider bei den Paralympics in Paris alle raus. Alle Badmintonbälle aus seinem Vorrat nämlich – ohne viel Federlesens schlug der überglückliche Gewinner sie ins Publikum. Er hatte sie vorher extra signiert, wollte etwas von seiner Freude zurückgeben. Der 60-Jährige ließ sich feiern für den Gewinn von Bronze nach dem 2:0 (26:24, 21:11)-Erfolg gegen den Südkoreaner Jaegun Jeong. „Ich hatte immer den Traum, für Deutschland eine Medaille im Badminton zu gewinnen. Dass ich das mit fast 61 Jahren geschafft habe, ist einfach nur großartig“, sagte Wandschneider, „ich habe auf so viel verzichtet. Aber nun ist es geschafft.“ Weder im paralympischen noch im olympischen Badminton ist dies zuvor einem Deutschen gelungen, der Lindhorster hat Geschichte geschrieben.

Geschlossene Aufgaben vor seinen Angaben, den Schläger mit Bodenkontakt: Der Routinier wirkt geerdet – zudem sieht er mit dem Pferdeschwanz etwas wie ein Guru aus. „Ich habe meine Rituale, um mich voll zu fokussieren.“ Der seit einem Unfall vor 23 Jahren querschnittsgelähmte vierfache Vater hat sich nicht seit Jahren auf diese Chance vorbereitet, sondern seit Jahrzehnten. Mit sechs Stunden täglichem Training, die er am Bundesstützpunkt in Hannover abreißt. Und danach so groggy ist, dass er nicht mehr nach Hause ins Schaumburgische fährt, sondern in einem umgebauten Kastenwagen wohnt.

Wandschneider hat sich eine Kondition erarbeitet, mit der er die Rivalen müde zu spielen vermag. So wie im zweiten Einzel über 103 Minuten beim 2:1 (24:22, 12:21, 21:16) gegen den 24 Jahre alten Chinesen Yang Tong, womit er sich direkt für das Halbfinale qualifizierte. Länger hat bei den Spielen noch kein Match in dieser Sportart gedauert. Dass Wandschneider um jeden Ball verbissen kämpft, nervt die Gegner obendrein. Und macht den stets höflichen Spieler zum Publikumsliebling. In der Arena Porte de la Chapelle hatte er die Zuschauer auf seiner Seite, sie feuerten ihn mit Sprechchören an.

Dass er im Semifinale gegen Topfavorit Mo Qu Zi aus China klar mit 0:2 (1:21, 10:21) verlor, war zu verschmerzen. Der fünffache Einzel-Weltmeister lieferte im Bronze-Match ab, hatte zunächst aber Probleme, lag schon 14:18 hinten. „Der Wind war schwierig in der Halle wegen der Klimaanlage, er war jeden Tag anders“, sagte Wandschneider, der sehr präzise spielt. Den Koreaner störten die Bedingungen mehr, der VfL-Routinier drehte Satz eins und war im zweiten überlegen. „Ich will jetzt feiern und genießen, mit meiner Familie etwas anschauen in Paris“, sagte Wandschneider.

Und hört Wandschneider nun auf, da sein Traum wahr geworden ist? „Ich bin für alles offen“, sagt das Badminton-Ass. Er könnte mit 64 bei den Spielen in Los Angeles dabei sein. „Ich bin ja eigentlich im Rentenalter, aber mein Rentenbescheid beträgt nur rund 300 Euro“, räumt der Lindhorster ein. „Ich finde es schade, dass Deutschland seine Athleten nicht so viel wert sind. Und dass ich keine Sponsoren finde, obwohl ich doch für deutsche Qualitätsmerkmale wie Langlebigkeit und Robustheit stehe“, betont Wandschneider. Er hat Angebote aus dem Ausland, um als Trainer zu arbeiten. Oder er arbeitet eben auf die nächste Medaille in L.A. hin.

Im Doppel war Wandschneider mit Rick Hellmann (VfL Grasdorf) in der Vorrunde ausgeschieden. Marcel Adam scheiterte im Viertelfinale. Zwei weitere VfL-Athleten blieben trotz beachtlicher Auftritte ohne Erfolg: Mascha Mosel und Marco Herbst belegten im Rollstuhlrugby Platz acht. Zum Abschluss gab es ein 49:56 gegen Dänemark.

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