Sind wir wirklich so verschieden? Oder haben Deutschland und Österreich, abgesehen von der Sprache und der 818 km langen Grenze, vielleicht sogar mehr gemeinsam, als wir glauben? Mit scharfzüngigen Cartoons, Karikaturen, Fotoarbeiten, Filmen und Objekten nähert sich die Ausstellung dem deutsch-österreichischen Verhältnis.
Da wird etwa die „Deutsche Leitkultur“von Bettina Bexte in all ihrer Gründlichkeit dargestellt. Vorausschauendes Handeln beginnt schließlich bereits vor Sonnenaufgang, wenn im Urlaub die Pool-Liegen mit Handtüchern reserviert werden, und auch beim Einkauf muss mit möglichst rabiatem Einsatz des Warentrenners Struktur gewahrt werden. Das Verhältnis der Deutschen zu ihren Mitmenschen ist geprägt von Erziehungsaufträgen, die bei der korrekten Trennung des Glasmülls nicht aufhören. Und so sorgt der rotgesichtige Autofahrer erstmal brüllend dafür, dass der Fahrradfahrer sich bloß nicht auf den zu schmalen Gehweg verirrt.
Wie schön, dass man vor diesen deutschen Mitmenschen nach Österreich in den Urlaub flüchten kann. Entspannt unterwegs auf schneebedeckter Piste denkt sich der Skisportler auf Til Mettes Zeichnung dann: „Hier kann ich mich endlich erholen von Arschlöchern wie mir.“ Ein bisschen Anbiederung gehört für die Österreicher dann auch dazu. Am besten mit möglichst viel Wurst auf der XXL-Schlachtplatte, den Touristen serviert als kleine Entschädigung für die Autobahn-Maut, die bei der Anreise fällig wird und die die Deutschen seit Jahrzehnten nicht auf die Kette kriegen. Oder doch lieber ein Stück „Sacher-Masoch-Torte mit Schlag“, welche sich ein „Devotes Österreich“ bei Oliver Ottitsch mit der Peitsche im Kaffeehaus kredenzen lässt? Schnell zuschlagen, bevor ein bekannter bayrischer Politiker die „Brezlgrenz“ ziehen kann, wie bei Thomas Wizany gesehen.
Ja, ein bisschen Selbstironie kann beim Anblick solcher Darstellungen sicher nicht schaden. Oder können die Deutschen wirklich nicht über sich selbst lachen, wie es die Tortendiagramme von Andrea Maria Dusl behaupten?
Wohl nicht umsonst beginnt die Ausstellung, unterteilt in sieben Kapitel, mit dem Punkt „Korrekt oder gemütlich? Die Klischees“. Eben jene werden ebenso humorvoll abgeklopft und geprüft wie kleine Unterschiede, die Feinheiten der deutschen und österreichischen Sprache oder der Tourismus – Verzeihung, der Fremdenverkehr natürlich! – zwischen Zugspitze und Großglockner. Auch dem Essen wird ein eigener Bereich gewidmet, ebenso wie Prominenten, die bei der Frage „Beethoven oder Mozart?“ noch lange nicht an die (kulturellen) Grenzen stoßen.
„Die lieben Nachbarn!“ ist eine vergnügliche interkulturelle Begegnung der etwas anderen Art, die mit Werken zahlreicher zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland und Österreich gemeinsam mit Arbeiten aus den museumseigenen Beständen zum Schmunzeln, Wundern, Empören und Klischeeprüfen einlädt.
Zu sehen ist die Ausstellung noch bis zum 17. November im Museum Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst im Georgengarten. Geöffnet ist von Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen jeweils von 11 bis 17 Uhr. Jeweils sonntags gibt es ab 11.30 Uhr Führungen durch die Ausstellung, die Teilnahme kostet 5 Euro zuzüglich Museumseintritt und sollte vorab online gebucht werden. Der reguläre Eintritt kostet 7 Euro, ermäßigt 4 Euro. Weitere Preise und Ermäßigungen stehen online.karikatur-museum.de