„Grey“ heißt der kleine Gewerbehof im Lindener Hafen, in Jutesäcken lagert hier der Rohkaffee, dessen Kaffeekirschen von Familie Syoum in Äthiopien, Diego Baraona in El Salvador, Jorge Vásquez und Diego Robelo in Costa Rica und Silvio Sánchez in Nicaragua angebaut werden. Bram de Hoog röstet den Kaffee, vertreibt und vermarktet ihn. So weit, so üblich? „Nein, unsere Geschichte ist einzigartig“, betont der 28-Jährige, der trotz seiner jungen Jahre bereits auf eine internationale Karriere im Kaffeegeschäft zurückblicken kann. Denn bei „Paso Paso“ (spanisch: Schritt für Schritt) sind die Kaffeebauern gleichberechtigte Gesellschafter der Firma.
Es ist eine Art Kaffee-Kollektiv, das de Hoog aufgebaut hat – weil er etwas verändern will. „Die großen Gewinne entstehen durch Röstung und Vertrieb, da geht es um die zehnfachen Summen. Doch die Risiken beim Anbau tragen die Bauern.“ Und die würden durch Klimawandel und Wetterextreme immer größer. „Und die Kaffeeröster sind nicht treu, sie reagieren auf die günstigsten Preise. Die Kräfteverhältnisse sind nicht gerecht.“ Bram de Hoog weiß, wovon er spricht. Er hat für einen Konzern weltweit Kaffeeernten aufgekauft, ist dafür um die Welt gereist. „In meinem letzten Jahr waren es sechs Millionen Kilo.“
„Bram ist ein Überflieger“, sagt Thomas Brinkmann (55), der mit seiner Kaffeeschule im „Grey“ Sensorikseminare, Workshops und Consulting für Röstereien anbietet. Seine „Roast Factory“, in der er zwei 45.000 Euro teure Röstmaschinen an kleine Labels vermietet, hat er an de Hoog abgegeben. „Ich habe noch Flausen im Kopf“, sagt er, denn zusammen mit seiner Frau hat er eine Kaffeefarm in Nicaragua gekauft, die er regelmäßig besuchen will. „Fünf Hektar – also ein etwas größerer Garten. Aber das fehlte mir noch in meiner Kaffee-Vita.“
Eine vorhandene Ressource – in diesem Fall teure Maschinen – teilen: Die „Roast Factory“ passt perfekt in de Hoogs Businessplan und in seine Philosophie. Der Weg dahin war lang. „Ich war schon mit 13 Jahren interessiert an Kaffee“, erzählt der Holländer. Nach der Schule studierte er an einer Hotelfachschule, schrieb seine Masterarbeit über Transparenz im Kaffeeanbau. Da war er aber schon mit einem Bein in Nicaragua.
Seine zweite Leidenschaft, die Fotografie, hatte ihn in das Land geführt. „Ich habe die Geschichten der Kaffeebauern gehört.“ Der Student war fasziniert, und als ein Kaffeeexporteur ihn fragte, ob er nach seinem Abschluss zurückkommen wolle, um Webseite und Marketing zu betreuen, sagt er zu. 2018 zog de Hoog weiter nach Costa Rica, lernte dort seine Frau kennen, machte Karriere als global agierender Rohkaffeehändler mit Millionenumsätzen.
Und was verschlug ihn dann nach Hannover? „Hier spricht man gutes Deutsch“, scherzt er. Außerdem sei seine Frau Ärztin, sie wollte in Deutschland die Fachausbildung zur Gynäkologin machen. „Und auf einer Kaffeemesse habe ich Thomas Brinkmann kennengelernt.“ Der Kreis schließt sich also im Lindener Hafen, doch daraus wurde laut seiner Aussage ein weltweit einmaliges Projekt. „Die Idee für ‚Paso Paso‘ hatte ich schon vor drei Jahren.“, erzählt de Hoog.
Er sprach Kaffeebauern an, die er durch die jahrelange Beziehung gut kannte („Ich vertraue ihnen, es sind gute Freunde“), gründete eine GmbH, die rechtliche Hürden überwinden musste. „Viele Stempel, viele Vollmachten, die in Botschaften unterzeichnet werden mussten“, berichtet er vom komplizierten Weg, eine Firma mit Menschen auf drei Kontinenten zu gründen. Ganz zu schweigen von der Suche nach einer Bank, die sich auf das Unterfangen einließ. Seit Februar steht „Paso Paso“ auf stabilen Füßen, de Hoog röstet für Kundschaft in Schweden, England, Ungarn, Belgien, den Niederlanden.
In Hannover gibt es Bohnen von „Paso Paso“ zum Beispiel im neuen „Kaffeeladen 171″ in der Lutherstraße (Südstadt). „Farmer owned coffee“ steht auf den Tüten, die Bohnen haben exzellente Qualität, die man an den sogenannten „SCA Sores“ ablesen kann. Diego Baraona in El Salvador zum Beispiel hat 85 von 100 Punkten erreicht, auf der „Paso Paso“-Homepage sieht man Bilder der Pflanzen, der Farm, der Menschen dahinter. 250 Gramm dieses Kaffees kosten 14 Euro, die 88-Punkte-Sorte von Diebo Robelo aus Costa Rica sogar 18 Euro. Kein Preis, wie man ihn aus dem Discounter kennt. Aber daraus wird Kaffee gebrüht, an dem auch die Bauern verdienen. „Ihr Name steht auf der Packung, sie sind unheimlich stolz“, versichert Bram de Hoog.