Dieser Mann hat einiges zu erzählen. Kein Wunder, wenn man von der Schutzpolizei übers SEK bis hin zum Staatsschutz quasi überall an der Front war, wie Thomas Ganz sich vorstellt. Wenn man wie er mit kleinen Einbrechern und großen Clanverbrechern, mit Cyberkriminellen und dumpfen Rechtsextremen zu tun hatte. Thomas Ganz, seit 2021 eigentlich im Ruhestand, lässt die Polizeiarbeit nicht los. Er arbeitet als Berater zum Thema Clankriminalität und führt Interessierte neuerdings mit dem Fahrrad von Tatort zu Tatort. Hannover hat durchaus einige Kriminalfälle und -geschichten zu erzählen. Aus berufenem Mund klingen sie noch einmal so spannend.
Was die Führung auch anders macht: Ganz lädt die Gäste im Rollenspiel zum Mitmachen ein, schnell sind mit Monika Wiedersich eine Polizeipräsidentin, mit Ben Perleberg deren Pressesprecher dabei, es gibt eine mutmaßliche Giftmörderin und einen Richter. Klaus Dieter Wiedersich darf der Richter sein, dabei war der Pensionär bis 2022 selbst Kommissar beim Landeskriminalamt. „Mich interessierte das, ich lese und gucke gern Krimis“, sagt Wiedersich, der die Tour freudig mit Frau Monika durchzieht. Die hatte diese von ihrem Sohn zum Geburtstag geschenkt bekommen. „Toll, was man hier noch dazu lernt“, sagt sie.
Da ist etwa diese bis heute nicht aufgeklärte Tat, die den Gästen und auch noch Thomas Ganz selbst bis heute ein Gruseln bereitet: Im Jahr 2022 wurde ein Mann aus Hannover mit einem Gift getötet, die Injektion wurde ihm per Regenschirm versetzt – deswegen ging der Fall als „Regenschirmmord“ in die Geschichte ein.Spannend finden Svenja Urbahn und Ben Perleberg auch den Mord eines Anwalts und früheren FDP-Spitzenkommunalpolitikers, „der 1987 seine Frau Gabriele bestialisch abgeschlachtet hatte“, zitiert Ganz den damaligen Ankläger. Der gewiefte Mörder erhielt letztlich doch nur zehn Jahre Haft, nach guter Führung wurde er frühzeitig aus der JVA Schulenburger Landstraße entlassen.
An der Stadtmauer „verhört“ Thomas Ganz als Kripo-Mann im Rollenspiel die mutmaßliche Giftmörderin Christine Fricke. Eine weitere Teilnehmerin der Gruppe spielt die 49-jährige Mutter von sechs Kindern, die mit ihrem 18-jährigen Liebhaber ihren Mann vergiftet haben soll. Das passierte zwar schon 1870, aber interessant wäre es, was die „Täterin“ heute so zu sagen hätte. Diese schaltet auf den Modus „unschuldig“, Pech gehabt für den Ermittler.Und so führt die Tour – mit einem Abstecher zur Polizeidirektion in der Waterloostraße – weiter zur Spur des Torso-Mörders am Maschsee, der 2007 rechtskräftig verurteilt wurde. Und mittlerweile wieder auf freien Fuß lebt, wie Thomas Ganz erzählt.
Ein Mord hat sich Kripo-Leuten wie Thomas Ganz schmerzhaft eingebrannt: die tödlichen Schüsse auf die Polizisten Rüdiger Schwedow und Ulrich Zastrutzki 1987 im Stadtteil Kirchrode. „Ich hätte damals eigentlich Dienst gehabt, war aber mit einem doppelten Bandscheibenvorfall krank.“ Sonst? Ja, sonst würde vielleicht sein Name heute auf dem Mahnmal an der Brabeckstraße stehen, an das Ganz die Truppe führt. Und vor dem er erst einmal eine Schweigeminute einlegt.
Nach vier Stunden ist die Führung vorbei. Ob Kirchrode oder Kleefeld, ob Maschsee oder Eilenriede, ob in der heutigen Zeit oder vor hundert Jahren, ob Haarmann oder Hanebuth – dem Verbrechen auf der Spur zu sein, lohnt sich für alle heute. Und: Ohne sich mit der aufwendigen, manchmal jahrelangen oder zuweilen auch erfolglosen Polizeiarbeit beschäftigen zu müssen, auch das gefällt den Teilnehmenden der Tour.
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