Hannover.
Fast die Hälfte der Büroangestellten würde sich einen neuen Job suchen, wenn ihr Arbeitgeber die Möglichkeit zum Homeoffice abschaffen oder stark einschränken würde. Das ist das Ergebnis einer repräsent
ativen Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut YouGov im Auftrag des Automobilzulieferers Continental durchgeführt hat. Befragt wurden rund 2000 Menschen. „Viele Beschäftigte haben während der Pandemie die Vorteile des flexiblen Arbeitens kennen – und schätzen gelernt – und sind nun nicht mehr bereit, darauf zu verzichten“, sagte Personalvorständin Ariane Reinhart am Freitag.Als Hauptgrund für ihr Votum gaben die Befragten an, dass sich bei der Arbeit von zu Hause oder unterwegs Zeit sparen ließe, weil Fahrtwege entfallen. Auch eine bessere Work-Life-Balance und mehr Flexibilität nannte ein Drittel als Vorteil. Allerdings sagten 53 Prozent der Umfrageteilnehmer auch, dass sie für ein höheres Gehalt auf Homeoffice und mobiles Arbeiten verzichten würden. Nach wie vor wägen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer also Flexibilität und Einkommen sehr genau gegeneinander ab.Da
s Umfrageergebnis zeigt einmal mehr, dass sich mobile Arbeitsmodelle, gerade auch im Nachgang der Corona-Pandemie fest etabliert haben. Bei der hohen Zahl an offenen Stellen, die in Unternehmen und Behörden derzeit nicht besetzt werden können, kommt Beschäftigten auch eine größere Verhandlungsmacht zu, Homeoffice konsequent einzufordern. Hinzu kommt, dass die Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber ihrem Arbeitgeber nachgelassen hat und auch Berufswechsel normaler sind als noch vor 30 Jahren. Wer heute einen Beruf erlernt, übt ihn nicht zwangsläufig bis zu seiner Verrentung aus, schon gar nicht beim immer gleichen Unternehmen.Wi
e viele der Befragten im Fall der Fälle tatsächlich ihre Drohung umsetzen würden, ist aber fraglich – schließlich kosten Bewerbungsverfahren Zeit, Nerven und Geld. Inwieweit es alternative Angebote gibt, hängt letztlich auch vom Wohnort ab. Im ländlichen Raum können Beschäftigte meist weniger wählerisch sein, sind aber gleichzeitig auch eher an geringeren Fahrzeiten interessiert. Außerdem ist die Debatte um mobiles Arbeiten nur für einen geringen Anteil der Arbeitnehmerschaft in der Bundesrepublik überhaupt relevant.Eine Studie des Ifo-Instituts von Anfang März ergab, dass rund 24 Prozent der Beschäftigten in Deutschland zumindest teilweise von zu Hause arbeiten. Dieser Anteil liegt in Großunternehmen, also solchen mit 250 Beschäftigten und mehr, höher (32 Prozent) als in kleinen und mittleren Unternehmen, wo nur rund ein Fünftel in den Genuss von mobiler Arbeit kommen. Auch zwischen den Branchen sind die Unterschiede groß: So sind es zu einem Drittel Dienstleister, die im Homeoffice sitzen, während nur ein Sechstel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Industrie und – naturgemäß – nur 5 Prozent der Menschen in der Baubranche das Angebot nutzen können. Das ifo-Institut hatte für seine Studie insgesamt 9000 Unternehmen befragt.
Insgesamt aber bevorzugen zwei Drittel der Befragten ein kombiniertes Modell aus Homeoffice und Präsenz. Sie schätzen das Gespräch im Kollegenkreis oder empfinden Büroarbeit als bessere Trennung von Arbeit und Privatleben.
„Auch bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern besteht grundsätzlich der Wunsch nach Präsenz im Betrieb – nur eben nicht durchweg und stur an einer festen Zahl von Tagen pro Woche“, sagt Conti-Personalvorständin Reinhart. „Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, vom Unternehmen einen Rahmen vorzugeben, der gemeinsam mit der Führungskraft und dem Team ausgestaltet werden kann – um so die Interessen von Unternehmen und Beschäftigten in Einklang zu bringen.“