Die Bahn wird ab 2030 zwei zusätzliche Gleise hinten am Hauptbahnhof anbauen. Für die Stadtspitze wird es eine der größten Innenstadt-Baustellen der Zukunft mit Investitionen in Multimillionenhöhe, die die Bahn vornimmt. Hannovers Stadtbaurat Thomas Vielhaber (SPD) will deshalb den Anlass nutzen, das gesamte Areal nördlich vom Hauptbahnhof neu zu sortieren.
Es gehe zunächst darum, „ohne Denkverbote“ Ideen zusammenzutragen, sagte Vielhaber am Mittwochabend im Pavillon bei der Auftaktveranstaltung für den sogenannten Masterplan nördliches Bahnhofsviertel. Fachleute berichteten an dem Abend, dass zum Beispiel der Abriss der Raschplatz-Hochstraße erneut geprüft werde und die Idee, den tiefergelegten Raschplatz wieder auf Normalniveau anzuheben, damit eine klassische Bahnhofszugangssituation entsteht statt des bisherigen Lochs – mit einer Fahrradgarage darunter, zum Beispiel.
Auch der Abriss des Parkhauses Rundestraße am Nordkopf des Bahnhofs soll geprüft werden. Die drei Parkanlagen hinterm Hauptbahnhof seien nicht ausgelastet, sagte Verkehrsplaner Wolfgang Haller. Möglicherweise sei das Parkhaus verzichtbar und könne durch andere Nutzungen ersetzt werden. Öffentlich nachgedacht wurde auch wieder über die Verlängerung der Straßenbahn vom Busbahnhof in die Südstadt, neue Nutzungen für den Fernsehturm und hellere Tunnel.
Vielhaber berichtete sehr plastisch, wie er bei seinen ersten Besuchen in Hannover stets vorne aus dem Hauptbahnhof gegangen sei und überrascht war von der Qualität des Innenstadteingangs. „Dann bin ich irgendwann mal hinten rausgegangen und war auch überrascht – aber anders“, sagte Vielhaber vor 200 Interessierten, die im Pavillon persönliche Impulse zum Planungsdialog beisteuern konnten.
Es gehe jetzt darum, die Chance der Bahnhofserweiterung zu nutzen, um eine Perspektive für diesen ungeliebten Bereich zu entwickeln. Deshalb wolle man auch nicht mehr „hinter dem Bahnhof“, sondern eben „nördlich vom Bahnhof“ sagen, schlug Vielhaber vor.
Einiges ist ja bereits geschehen. Die Grünflächen auf dem Weißekreuzplatz wurden 2023 umgestaltet, erstmals seit Jahrzehnten gibt es Zufriedenheit bei den Anliegern statt Unmut. Auch für den Andreas-Hermes-Platz erarbeitet die Stadt derzeit mit Interessierten kurzfristige Verbesserungen. Am Raschplatz selbst gibt es Spaßevents, wenn auch zum Preis der ungeregelten Verdrängung von Milieus, die ohnehin nirgends in der Stadt Platz finden.
Den Planungsteams geht es aber – fernab großer Fragen wie der zur Hochstraße oder zum Raschplatz – auch um andere Aspekte. Stadtplaner Benjamin Wille vom Berliner Büro Machleidt etwa schilderte, dass sich das Kulturzentrum Pavillon etwa viel zu wenig zum Außenraum öffne. Man könne über eine weitere Gastronomie nachdenken oder über Sportanlagen auf dem Flachdach.
Teilweise könnten möglicherweise schon kleine Eingriffe ausreichen, um triste Flächen lebenswerter zu machen, sagte Wille, etwa im Bereich der komplett versiegelten Hallerstraße oder im Rotlichtquartier Ludwigstraße. Statt übergroßer Kreuzungsbereiche Grünzonen einrichten – manchmal lasse sich mit wenig Aufwand viel erreichen. Auch das Gerichtsviertel gehört zum Planungsraum.
„Wir wünschen uns mutige Ideen“, rief Moderatorin Anette Quast vom Büro Tollerort zu Kreativität auf. Der Masterplan habe nicht das Ziel, Standorte für weitere Sitzbänke zu diskutieren, sondern: „Wie soll es dort in zehn oder 20 Jahren sein?“ Weit mehr als 100 Einzelaspekte schrieben die Teilnehmenden auf Kärtchen – sie sollen in den Prozess einfließen. Die Vorschläge gingen von „mehr Grünflächen“ bis hin zu „kein Abriss des Parkhauses“.Die EU zahlt fast die Hälfte des Planungsdialogs, der Teil des hannoverschen Innenstadtkonzepts „Mitte neu denken 2035“ ist, wie Vielhaber betonte. Der EU-Zuschuss gebe der Stadt die Möglichkeit, Fragen etwa zur Verkehrssituation mit oder ohne Hochstraße von Ingenieurbüros erneut durchrechnen zu lassen. Ausgemacht ist noch gar nichts: Verkehrsplaner Haller warnte, dass etwa ein Abriss der frisch sanierten Raschplatz-Hochstraße mehr Verkehr auf die ebenerdige Straße bringen werde.
Viele der Ideen seien schon mal gedacht und geprüft worden, sagte Vielhaber – jetzt aber gehe es darum, Veränderungen in den einzelnen Bereichen zusammenzubringen. Im Sommer soll es den nächsten öffentlichen Termin geben. 2025 mündet alles in einen Wettbewerb, in dem Planungsbüros ein Masterkonzept für die Flächen nördlich des Bahnhofs erarbeiten sollen.