Der E-Bike-Spezialist Orange Bike Concept in der Innenstadt etwa kann derzeit laut Geschäftsführer Dirk Fastabend Service- und Reparaturtermine nur mit einem Vorlauf von etwa vier Monaten anbieten – also erst wieder im Sommer. Erhöht werde der Druck auf die Fachwerkstätten dadurch, dass immer mehr Menschen nicht in der Lage seien, kleinere Reparaturen selbst zu erledigen oder es nicht selbst machen zu wollten. Ein weiterer Grund für den großen Andrang sei, dass für Fahrräder im Leasingmodell, die Arbeitgeber zunehmend ihren Beschäftigten anböten, meist eine Pflicht zur regelmäßigen Inspektion bestehe.
„Ohne mehr Zweiradmechaniker wird das in Zukunft nicht mehr funktionieren“, ist sich Fastabend sicher. Personal sei in der Branche mehr als knapp, seine Mitarbeitenden erhielten sogar Anrufe von Personalvermittlern, die sie abwerben wollten. Außerdem interessierten sich immer weniger junge Menschen für eine entsprechende Ausbildung im Handwerk – sie gingen lieber in die Industrie, wo höhere Gehälter und eine 35-Stunden-Woche möglich seien.
„Da kann der kleine Mittelstand nicht mithalten“, sagt Fastabend, der mit qualifizierten Bewerbern nach eigener Aussage dennoch über eine Vier-Tage-Woche und das Gehalt reden würde. „Ich könnte sofort drei weitere Arbeitsplätze in der Werkstatt einrichten, finde aber keine Leute“, klagt er. Im November hatte plötzlich das Radhaus Schauerte in der Südstadt geschlossen – damit fehlt eine Fachadresse. Und in wenigen Tagen zieht die e-motion-Filiale von Hannover-Mitte nach Garbsen. „Die Lage wird sich weiter zuspitzen“, prognostiziert Fastabend. „Wir sind terminlich gerade richtig am Ächzen, und die Situation verschärft sich Tag für Tag.“
Die meisten Händler nähmen nur noch Kunden an, die ihr Rad auch bei ihnen gekauft haben. Inzwischen sei es so weit: „Der Kaufbeleg ist die Eintrittskarte zum Service.“
„Der Terminkalender ist eng geworden“, bestätigt Peter Schulz, Mitinhaber des Fahrradkontors in der List. Wegen der milderen Winter habe die Werkstatt „jetzt ständig Saison“. Termine, etwa für Inspektionen, gebe es derzeit erst wieder im Juli. Für Reparaturen müsse die Kundschaft mit mindestens vier Wochen Vorlauf rechnen – sofern keiner aus der Mannschaft ausfällt. Dringende Reparaturen erledige sein Team aber in der Regel auch binnen einem bis fünf Tagen.
Schulz ist sich sicher: „In Hannover wäre schon noch Platz für eine oder mehrere Fahrradwerkstätten.“ Allein schon deshalb, weil viele Menschen ihr Rad andernorts oder auch übers Internet kauften. Gut die Hälfte seiner Kunden komme mit Rädern, die das Fahrradkontor nicht selbst verkauft habe, berichtet Schulz. „Wenn es die Kapazität zulässt, dann schicke ich aber niemanden weg.“
Joey Grüneberg, Filialleiter von e-motion in der Südstadt, muss seinen E-Bike-Kunden derzeit vier bis sechs Wochen Vorlauf zumuten. Auch Fremdkunden würden bedient. „Sofern wir die Radmarke im Programm haben und wenn wir den Motorhersteller führen. Bei Baumarkträdern ist das eher nicht möglich.“ Einen platten Reifen, eine gerissene Kette oder die defekte Beleuchtung – kleinere Notfälle schaffe man oft auch innerhalb eines Tages, sagt Grüneberg. Noch sieht er keinen fortwährenden extremen Engpass in Hannover – allerdings schätzt er die Lage und Perspektive so ein, dass „die kleinen Muckelläden von nebenan“ nicht mehr zeitgemäß seien. „Wer ein E-Bike für 5000 Euro kauft, der stellt sich seine Werkstatt eher wie ein Autohaus vor.“ Rad Concept in der Heidornstraße (Südstadt) sei zurzeit gut ausgelastet, sagt Filialleiter Torben Blum. Bei normalen Reparaturen komme es darauf an, welche Marke gefragt und ob das Ersatzteil verfügbar sei. Auch spiele eine Rolle, ob es sich im jeweiligen Fall um eine aufwendige Getriebesache oder nur um ein Beleuchtungsproblem handele. Insofern sei bei den Wartezeiten alles zwischen einer Woche und sechs Monaten möglich. Die üblichen Notfallreparaturen gingen aber meist schneller. „Aber ohne Gewähr!“
Wer eine Radinspektion will, muss auch bei Rad Concept Geduld aufbringen. Termine sind erst wieder ab Juli frei. Warum? „Inspektionen fressen viel Zeit, das ist eine mühselige Arbeit“, sagt Blum. Und da im Zuge des Leasingbooms – „der ist noch nicht am Ende“ – und aufgrund der immer hochwertigeren Fahrräder die Zahl der Inspektionsanfragen stark gestiegen sei, sei es bei Rad Concept wie andernorts sehr eng bei der Terminvergabe.
Bei vielen Kunden und Kundinnen herrsche noch der Irrglaube, sie könnten ihr Rad „einfach bringen und abgeben“, sagt Blum. Das funktioniere aber längst nicht mehr. „Zumindest sollte man erst mal anrufen oder besser das Rad mal kurz zum Anschauen vorbeibringen.“ Die Aussicht, dass sich die Lage entspannt, scheint gering. Blum etwa registriert „einen Trend zum Viert- und Fünftrad“. Hannover könne auf jeden Fall mehr Fahrradservice gebrauchen, meint er. Viele Fachläden bedienten im Service nur noch eigene Kunden. Das sei bei ihm anders: „Wir nehmen noch fast alle an.“ Das gilt allerdings nicht für etwa jene E-Bikes, die sich die Kundschaft im Internet besorgt hat und denen der Experte eine überwiegend „schlechte, teils gemeingefährliche Qualität“ bescheinigt.