Das ist das große Thema einer Gruppe von mehr als 200 Forscherinnen und Forschern unter Leitung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). „Wir wollen besonders anfällige Menschen besser vor Infektionen schützen. Viren und Bakterien sollen ihnen keinen großen Schaden mehr zufügen können“, sagt Professor Thomas Schulz, Sprecher des Exzellenzclusters „Resist“. Verbesserungen in Vorbeugung, Diagnose und Therapien sind das Ziel.
Das Besondere: Als Exzellenzcluster der Deutschen Forschungsgemeinschaft bekommen die Wissenschaftler für sieben Jahre eine stabile Finanzierung. Mit der Exzellenzstrategie wollen Bund und Länder leistungsstarke Forschung voranbringen, die zukunftsträchtige Themen bearbeitet. Ins Exzellenzcluster „Resist“ (Resolving Infection Susceptibility) etwa fließen bis Ende 2025 rund 32 Millionen Euro. Für ihre rund 30 unterschiedlichen Projekte haben die Forschenden außerdem 65 Millionen Euro Drittmittel zusätzlich eingeworben. Teilweise steht das Geld, das die Professorinnen und Professoren in dieser Zeit eingeworben haben, auch in Zusammenhang mit anderen Forschungsverbünden.
In Hannover gibt es aktuell vier Exzellenzcluster, die Bewerbungen neuer Gruppen für die nächste Förderphase ab Januar 2026 sind angelaufen, die bestehenden werden eine Verlängerung beantragen. Kennzeichnend für solche Cluster ist die Zusammenarbeit von Fachleuten aus verschiedenen spezialisierten Forschungseinrichtungen, die ihr Wissen zusammenbringen. An „Resist“ sind etwa das Twincore-Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und weitere beteiligt.
„Cluster erleichtern die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen, die sonst nicht unbedingt zueinanderfinden“, sagt Alexander Wanner. Manchmal müssten sie dazu erst eine gemeinsame Sprache finden. Wenn Forschende aus ganz unterschiedlicher Perspektive auf ein Problem blicken, kann das zu einem Aha-Moment führen. Wanner ist Geschäftsführer des Forschungsinstituts Hitec (Hannover Institute of Technology), das etwa optische Labore oder auch einen Fallturm für Experimente zur Simulation von Schwerelosigkeit bietet. Davon profitieren mehrere der hannoverschen Exzellenzgruppen.
Ebenfalls wichtig an den Exzellenzclustern: Die längerfristige Förderung verschafft den Forschenden Zeit. „Das Schöne daran ist, dass wir visionär vorausdenken können“, sagt Prof. Uwe Morgner, Sprecher des Exzellenzclusters „PhoenixD“ an der Leibniz-Uni, das neuartige optische Systeme entwickelt.
„Es ist sogar bewusst gewünscht, dass Leute ganz ehrgeizig auch mal riskante Projekte angehen“, betont „Resist“-Sprecher Schulz. Im normalen Betrieb beantragten Forscher Förderung für ein zeitlich eingegrenztes Thema. Dabei werden oft „sichere“ Projekte bevorzugt, deren Ausgang von den Gutachtern besser eingeschätzt werden kann.
Dermatologen und Neurologen untersuchen zusammen mit Grundlagenwissenschaftlern in einem der „Resist“-Projekte zur Infektionsanfälligkeit von älteren Menschen beispielhaft Patienten mit schwerer Gürtelrose. Diese tragen das Varizella-Zoster-Virus in sich, das im Kindesalter Windpocken auslöst. Bei einigen Personen wird es später erneut aktiv und verursacht dann Herpes Zoster, also Gürtelrose.
Um besser zu verstehen, warum das bei manchen Menschen geschieht, bei anderen aber nicht, und warum es bei einer Untergruppe der Betroffenen zu besonders schweren Verläufen kommt, setzt „Resist“ auf die Mitarbeit ganz normaler Bürger. In den vergangenen Jahren haben die Forscher Gesundheitsdaten von 650 zufällig ausgewählten älteren Menschen ohne schwere Erkrankungen aus der Region erfasst. Diese Daten werden genutzt, um die Veränderungen des Immunsystems im Alter besser zu verstehen. Vom Vergleich dieser Gruppe mit Gürtelrose-Patienten, die alle stationär in der MHH behandelt wurden, erhoffen sich die Forscher, die Gründe für das gehäufte Auftreten der Erkrankung bei manchen Patienten herausarbeiten zu können.
„Es ist sehr schön, dass die Hannoveraner uns unterstützen“, sagt Laborleiter Lennart Rösner aus der MHH-Klinik für Dermatologie. Die freiwilligen Teilnehmer gaben Auskunft zu Krankheiten, durchliefen Tests zu Gesundheit, körperlicher und geistiger Fitness. Außerdem wurden Blut- und Stuhlproben genommen.
Vor allem ältere Menschen erkranken schwerer an Gürtelrose. Liegt das am sich abschwächenden Immunsystem? Oder ist es genetisch bedingt? „Wir möchten Faktoren aufdecken, die dazu führen, dass die Erkrankung einen schweren Verlauf mit Komplikationen nimmt, um in Zukunft frühzeitig individuell angepasst unterschiedlich intensiv behandeln zu können“, sagt Prof. Thomas Werfel, Direktor der MHH-Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie.
Bei Frank-Heinrich Bode hatte sich die äußerst schmerzhafte Gürtelrose über Stirn und eine Gesichtshälfte ausgebreitet. Sein Auge war zugeschwollen, die Sehfähigkeit stark beeinträchtigt. „Patienten können bleibende Schäden am Auge erleiden, das Virus kann ins Gehirn vordringen und eine potenziell lebensbedrohliche Hirnentzündung auslösen“, berichtet Assistenzärztin Friederike Schröder.
An der MHH bekam Bode eine antivirale Therapie sowie Schmerzmittel. „Die Infusionen waren anstrengend“, sagt der 61-Jährige. Immerhin: Bode konnte nach zehn Tagen entlassen werden. Und seine Krankendaten gingen zusammen mit seinen Blutproben nach seiner Zustimmung in das Projekt.
Der Aufbau der Datenbank ist abgeschlossen. Die Forscher testen anhand der Laborproben nun etwa, ob das Immunsystem der Gesunden und der Patienten unterschiedlich auf den Krankheitserreger reagiert. Bilden sich genügend weiße Blutkörperchen zur Abwehr? Welche Botenstoffe stellen die Zellen her? Und wie stark sind diese? Die Forscher hoffen, dass sich das, was sie modellhaft an den Herpes-Zoster-Patienten beobachten, auf andere Viruskrankheiten übertragen lässt.
Von der Forschung in „Resist“ wird am Ende wohl fast jeder Mensch profitieren. Denn im Alter wird das Immunsystem bei den meisten schwächer.