Influencer und Influencerinnen laden Fotos, Videos und Texte in sozialen Medien hoch, die von Tausenden, manchmal Millionen oder gar Milliarden Menschen angeschaut werden. Damit unterhalten die Internetstars ihre Fans nicht nur, sie beeinflussen auch ihr Denken, ihre Meinung, ihren Geschmack – und nicht zuletzt ihr Kaufverhalten. Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung PwC haben 29 Prozent der Menschen in Deutschland schon einmal ein Produkt auf Empfehlung eines Influencers oder einer Influencerin gekauft.
Mit ein paar Filmchen schnell eine Menge Geld verdienen – das klingt kinderleicht. Doch: „Das täuscht“, sagt Charlotte Weise. Die Influencerin, die sich vor allem auf Themen wie faire Mode, vegane Ernährung und positives Denken fokussiert, erzählt von einer zähen Anlaufphase. Mittlerweile kann Weise, die 2019 mit ihrem Freund nach Südspanien gezogen ist, gut von ihrer Arbeit leben. „Viele denken, wir machen hier nur Urlaub“, sagt die 31-Jährige. „Aber man muss kreativ sein, braucht jeden Tag eine gute Idee.“ Das sei nicht immer einfach.
„Es klingt häufig einfacher, als es in der digitalen Welt ist“, sagt auch Jessica Wawrzyniak. Die Medienpädagogin ist Autorin des Buches „Screen Teens – Wie wir Jugendliche in die digitale Verantwortung begleiten“. „Wer supergut Gitarre spielt oder besonders gut kochen kann und Videos davon bei Youtube hochlädt, wird nicht automatisch demnächst ein bekannter Musiker oder der nächste Starkoch sein“, sagt sie. „Auf diesem Weg erfolgreich zu sein – das schafft nicht jeder!“ Neben Talent gehören eine Portion Glück sowie viel Eigenvermarktung und ein professioneller Umgang mit Rückschlägen dazu.
Charlotte Weise hat für sich einen Weg gefunden: „Für mich ist es wichtig, möglichst authentisch zu bleiben“, sagt sie. Wer immerzu perfekt rüberkommen wolle, müsse sich oftmals verbiegen – das mache die Arbeit anstrengend. „Wenn man kein Thema, keine Ausrichtung hat, ist es schwierig, die Leute langfristig für sich zu begeistern. Man braucht immer auch eine Message“, so Weise. Hinzu kommen die Schattenseiten des Jobs: „Es gibt nicht nur Likes und Herzchenkommentare, sondern mindestens genauso viele Hassnachrichten, mit denen man sich auseinandersetzen muss. Die Reaktionen kommen rund um die Uhr – an sieben Tagen in der Woche, 24 Stunden, damit muss man klarkommen und emotional vorbereitet sein.“
Wie viel verdienen Influencer und Influencerinnen? Die Frage ist nicht seriös zu beantworten. Es gibt keine festen Preise. Am Ende verdient man so viel, wie jemand bereit ist, zu zahlen. Generell kann man aber sagen: Je mehr Follower, desto mehr Geld gibt es pro Kooperation.
Der Wunsch, Influencer oder Influencerin zu werden, ist groß: Nach einer aktuellen Bitkom-Studie würde jeder und jede dritte Jugendliche, der oder die Social Media nutzt, gern im Netz eine Fangemeinde haben. Doch viele Eltern bezweifeln, dass das Internet eine seriöse Arbeitsstätte ist. „Hinter dem Wunsch, Influencer oder Influencerin zu werden, stecken häufig ernsthafte Kompetenzen“, sagt Medienexpertin Wawrzyniak. „Künstlerisch-kreative Talente, Interesse an Marketing oder an einem IT-Beruf, der Wunsch, sich auf einer Bühne zu zeigen oder journalistisch zu arbeiten.“
Kinder sollten Träume haben, um ihre Identität zu entwickeln, Interessen zu formen, Selbstbewusstsein und Motivation aufzubauen, meint die Fachfrau. Sie rät Eltern, die Vorstellung ihrer Kinder nicht abzulehnen, sondern mit ihnen über mögliche Ausbildungs- und Studiengänge zu sprechen, die den Ideen ihrer Kinder nahekommen.
„Dem ernsthaften Wunsch, ein Internetstar zu werden, sollten Eltern nicht im Weg stehen“, empfiehlt Wawrzyniak. „Kinder und Jugendliche sind Profis in Sachen Medienbedienung, sie haben allerdings wenig Lebenserfahrung.“ Deshalb lohne es sich, gemeinsam die Sonnen- und Schattenseiten von Ruhm und Öffentlichkeit zu beleuchten.
Wawrzyniak ermutigt die Eltern, mit ihren Kindern über Selbstdarstellung und klischeehafte Rollenbilder zu sprechen. „Sie können nicht verhindern, dass Ihr Kind sich an Körperbildern aus den Medien orientiert. Was Sie aber tun können, ist die Struktur der Selbstinszenierung zu erklären sowie auf Sexismus, Rassismus, Vorurteile und Klischees in sozialen Netzwerken aufmerksam zu machen.“
Denn: „Der Wunsch nach Ruhm, Anerkennung, Aufmerksamkeit und Klickzahlen kann schnell dazu führen, dass man eigene Grenzen überschreitet.“ Eltern sollten deshalb vor allem im Blick behalten, was ihre Kinder live streamen.