„Wir haben ein tolles Team, doch ich sehe einfach keine andere Möglichkeit“, sagt Nicolaus von Schöning, dessen Firma als Pächterin den Schlossbetrieb managt. Er sei es seinen Beschäftigten schuldig gewesen, ihnen reinen Wein einzuschenken. „Die Stimmung auf Schloss Marienburg ist desaströs“, sagt von Schöning.
Tatsächlich ist der Burgfrieden empfindlich gestört: Vor einem Monat hat die Region Hannover als Bauaufsichtsbehörde veranlasst, die Innenräume des um 1860 errichteten Prachtbaus in Pattensen für den Besucherverkehr zu sperren. Ein Gutachten hatte sogenannten Echten Hausschwamm in der Dachkonstruktion festgestellt. Die Standsicherheit von Teilen des Gebäudes sei nicht gewährleistet, heißt es.
Bereits vor zehn Jahren hatte ein erstes Gutachten den Schwamm nachgewiesen. Doch die lange geplante Großsanierung der Burg hat noch immer nicht begonnen, obwohl Bund und Land schon vor mehr als vier Jahren insgesamt 27,2 Millionen Euro dafür zur Verfügung gestellt haben – eine Summe, die durch Inflation und Baukostensteigerungen seither faktisch immer mehr zusammenschmilzt.
Das neue Gutachten, das den Schlossbetrieb in weiten Teilen lahmgelegt hat, trifft Nicolaus von Schöning hart – zumal die Stiftung Schloss Marienburg den Pächter ganz unverholen loswerden will.
Hintergrund: Der langjährige Eigentümer, Ernst August Erbprinz von Hannover, hat die im Unterhalt kostspielige Marienburg schon vor Jahren in eine Stiftung überführt. Neben dem Welfenspross, dessen Urururgroßvater König Georg V. die Burg einst für seine Frau Marie erbauen ließ, sind im fünfköpfigen Stiftungsrat noch die Familie des Pächters, die Region Hannover sowie mit zwei Stimmen das Land Niedersachsen vertreten. Die öffentliche Hand hat also eine Mehrheit.
Besonders zwischen dem Pächter und dem Land gab es immer wieder Kontroversen um das Konzept für die Burg: Das zuständige Ministerium für Wissenschaft und Kultur setzt ganz auf einen seriösen Museumsbetrieb, Nicolaus von Schöning favorisiert hingegen populäre Veranstaltungen, die Geld in die Kassen bringen – ein Spagat zwischen gepflegter Langeweile und bonbonbunten Disneyland-Inszenierungen.
Wie das Ministerium jetzt bestätigt, hat der Stiftungsrat schon am 28. Juni beschlossen, Verhandlungen aufzunehmen, um die Geschäftsbeziehung mit dem Pächter zu beenden. Dabei solle möglichst eine einvernehmliche Lösung mit von Schöning gefunden werden – andernfalls sei zu prüfen, ob der Pachtvertrag sich kündigen lasse. „Die Verhandlungen dauern noch an“, sagt Ernst August Erbprinz von Hannover.
Nicolaus von Schöning hat offenkundig wenig Verständnis dafür, dass die Stiftung ihm den Stuhl vor die Tür setzen will – zumal der 2019 unterzeichnete Pachtvertrag für mindestens zehn Jahre gilt. „Wir haben in die Ausstattung investiert und Mitarbeiter geschult“, sagt von Schöning. „Wir haben Corona überstanden und schreiben seit 2022 schwarze Zahlen, ohne Steuergeld in Anspruch zu nehmen.“
Wird von Schöning am Ende eine Art Abfindung bekommen, die angesichts der behördlichen Sperrung der Schlossräume deutlich niedriger ausfallen dürfte als bei einem florierenden Betrieb? Wird er eine Kündigung akzeptieren? Oder landet die Sache letztlich vor Gericht? All das ist derzeit noch völlig offen. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass es beim Pachtverhältnis bleibe, sagt eine Ministeriumssprecherin: „Ein neuer Pächter wird weiterhin nicht gesucht.“
Dies könnte freilich auch daran liegen, dass es auf absehbare Zeit schlicht keinen Betrieb mehr auf dem Schloss geben wird. „Es ist noch nicht abschließend klar, in welcher Form eine Öffnung der Marienburg für Besucher während der Sanierungsarbeiten möglich sein wird“, sagt Ernst August Erbprinz von Hannover. Der Beginn der Bauarbeiten ist für das erste Halbjahr 2024 angesetzt.
Am 1. Dezember wird zunächst noch einmal wie geplant das beliebte „Wintermärchen“-Event starten, bei dem der Schlosshof weihnachtlich dekoriert und illuminiert wird. Doch zum Jahreswechsel sollen dann auch Café und Museumsshop, die derzeit noch geöffnet sind, den Betrieb einstellen, wie von Schöning erklärt. Die Burg wird damit geschlossen. „Mindestens für eine lange Winterpause“, sagt der Pächter, „vielleicht aber auch für viele, viele Jahre.“