Da fährt zum Beispiel der Roboter der „Gruppe Stumpf“ herum und zeichnet mit Kreide ein wildes Muster auf den Fußboden. Das Künstlerduo dahinter, bestehend aus Christian Lohre und Jan Neukirchen, arbeitet seit 2014 zusammen und spielt gerne mit den Möglichkeiten der Technik. Überhaupt scheint der spielerische Zugang zur Kunst sich in dieser Ausstellung aufzudrängen, nicht zwingend, aber einladend. Vielleicht auch als Einladung, das Lachen (auch über sich selbst) nicht zu vergessen, wenn alles allzu ernst scheint. Und vielleicht sogar als das Augenzwinkern, sich selbst nicht ernst zu nehmen.
Matthias Langer setzt sich auf neugierige und selbstironische Weise mit dem eigenen (Künstler-)Ich auseinander, indem er nach Namensvettern sucht. Denn sein Name ist nicht wirklich einzigartig. Und so sammelt und collagiert er Todesanzeigen von Menschen, die Matthias Langer heißen. Aber er trifft auch die Lebenden. „Wer ist schon Matthias Langer?“ lautet dann die Frage und auch der Titel seiner Serie. Wer ist eigentlich der Mensch hinter dem Namen? Das sind dann doch wieder einzigartige Persönlichkeiten voller individueller Geschichten, eben viel mehr als aneinandergereihte Buchstaben.
Es geht darum, das Abstrakte zum Leben zu erwecken. Dass sich dies auch auf Malerei beziehen kann, beweisen die Bilder von Domingos de Barros Octaviano. Der in São Paulo geborene und seit 2016 in Braunschweig lebende Künstler findet für seine farbenprächtigen Kreationen Inspiration in der Natur, aber auch in der Outsider Art und Folk Art. Als „playful“ beschreibt er seinen Zugang, als verspielt und spaßig.
Sofia Baronner, in Hannover unter anderem bekannt durch die Ateliergemeinschaft Tanke, setzt sich in ihren Arbeiten mit Gender-Klischees auseinander. – mal nachdenklich-melancholisch, mal brüllend komisch oder mit mehr Pink-Verwendung als jedes Barbie-Haus sie aufzuweisen hat. Für die Ausstellung im Kunstverein legt sie die „Slug Slut“ in Ketten. Die Skulptur des Weichtiers, irgendwo zwischen Goth- und BDSM-Subkultur gestylt, ist zweifelsfrei ein Hingucker. Und eine eigene Art, sich „playful“ zu zeigen. Mit Augenzwinkern. Wobei die Schnecke, streng genommen, eher mit den falschen Wimpern klimpert. Soll man sie deshalb etwa „slutshamen“ – oder nimmt sie sich den Begriff selbstermächtigend und macht ihn sich zu eigen? Das bleibt erstmal offen. Macht aber nichts, denn es gibt noch genug zu entdecken, und man muss sich nicht über alles den Kopf zerbrechen.
Also weiter geschaut, etwa nach der Installation „rising and falling, beige, brown, violet, dark pink“ von Kathrin Jobczyk, bei der das (innere) Kind es für einen Moment schade finden kann, dass man auf das Kunstwerk nicht draufklettern darf. Es erinnert nämlich nicht nur an organisch anmutende Leitern, sondern wirkt dabei auch sehr weich.
Der Preisträger des Kunstpreises der Sparkasse Hannover, Sebastian Neubauer, lässt Muster aus Film und Fernsehen, Kunst, Kitsch und Spielzeug miteinander zu neuen Formen und Figuren verschmelzen. Im Ergebnis trifft eine Schaufensterpuppe mit skurrilem Haupt und Bambi-Pullover auf eine elefantöse Wolpertinger-Interpretation im Fenster einer Wand, die schon leicht reizüberflutend wirken kann.
Ein dem berühmten Künstler Pablo Picasso zugeschriebenes Zitat lautet „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele". Wenn das stimmt, dann könnte im Kunstverein, wenn man sich darauf einlässt, das Großreinemachen stattfinden. Eine Seelen-Waschanlage für mehr Leichtigkeit und weniger Ernst.
Begleitend zur Ausstellung findet ein umfangreiches Programm statt. Am Sonntag, 27. August, interpretiert Alexia Körükmez ab 19 Uhr in „Art & Dance: Beyond the Frame“ ausgewählte Kunstwerke tänzerisch. Beim Familiennachmittag am Sonntag, 10. September, ab 14 Uhr, steht kreatives Ausprobieren zwischen Pinguinen und Staubsaugern an. Zudem gibt es Workshops, Führungen und Kunstgespräche.90. Herbstausstellung im Kunstverein Hannover, Sophienstraße 2. Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag sowie Sonnabend, jeweils von 12 bis 19 Uhr, Freitag von 15 bis 22 Uhr, Sonntag 11 bis 19 Uhr. Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 4 Euro. Das vollständige Programm steht online:
kunstverein-hannover.de