„Dieser Gestank ist unerträglich“
Bergeweise Müll, Partys und Obdachlose im Keller:
Für Mieter der Wohnscheibe am Marktplatz wird die Situation immer schlimmer

Lässt sich nicht mehr schließen: Mike Köhler ärgert sich, dass die aufgebrochene Haustür am Marktplatz 7 seit rund einem Jahr nicht repariert wird.Foto: Stephanie Zerm
Laatzen. Der Ekel beginnt schon im Treppenhaus. Es riecht nach Urin und Fäkalien. „Dieser Gestank ist unerträglich“, sagt eine ältere Mieterin und zieht sich ihr Halstuch über die Nase, während sie die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf geht. Den Aufzug traut sie sich nicht zu nehmen. Zu oft schon sind Mieter darin steckengeblieben.

Feuchte Wände, Müll, Sanierungsstau: Seit Jahren klagen Mieter über untragbare Zustände in der Wohnscheibe am Marktplatz 1 bis 9. Doch seit dem Eigentümerwechsel im Januar sei es noch schlimmer geworden, sagt Mike Köhler, der seit mehr als 30 Jahren im Haus Marktplatz 7 wohnt und die Wohnscheibe schon seit ihrer Erbauung in den Siebzigerjahren kennt.

766 Wohnungen in Laatzen hat das Düsseldorfer Unternehmen LEG Immobilien zum Jahreswechsel verkauft, darunter auch die Wohnscheibe, die die LEG nach nicht einmal fünf Jahren wieder abgestoßen hat. Neuer Eigentümerin ist die Lando PropCo II S.á.r.l., eine Vermögensverwaltung aus Luxemburg.

„Die Eingangstüren der Häuser 1 bis 9 sind alle schon vor etwa einem Jahr aufgebrochen worden“, sagt Köhler. Seitdem ließen sie sich nicht mehr schließen. „Jeder kann hier ein und aus gehen.“ Davon machten auch viele Unbefugte Gebrauch.

In der 2. Etage, in der ein Teil der Kellerräume des Wohnkomplexes liegt, sind auch die Brandschutztüren aufgebrochen worden. In den Gängen liegen alte Fahrräder, Matratzen, Kartons und Müllsäcke. Etwas sehen kann man nur mithilfe einer Taschenlampe. Alle Lampen in den Gängen wurden demoliert oder die Leuchtmittel sind herausgeschraubt worden. „Ich habe Angst, wenn ich in meinen Keller muss“, sagt die Seniorin.

Das liegt auch daran, dass sich in den Gängen regelmäßig Jugendliche treffen und sogar Obdachlose übernachten, wie Köhler berichtet. „Dreimal habe ich schon Leute erwischt, die hier geschlafen haben“, sagt der Mieter. Zwei Personen hat er dabei fotografiert. Der Sicherheitsdienst richte aber nicht viel aus. „Er kommt fast immer zur selben Zeit“, so seine Beobachtung.

Die kfh Immobilien Management GmbH aus Bielefeld, die die Wohnscheibe seit Januar verwaltet, bestreitet dies: Der Sicherheitsdienst sei täglich vor Ort und nehme mehrmals zwischen 18 und 2 Uhr zu unterschiedlichen Zeiten Kontrollgänge vor, sagt Unternehmenssprecherin Anke Sostmann.

Dass Unbefugte im Keller nächtigen, wisse der Immobilienverwalter. Sostmann spricht jedoch von nur einer Person: „Uns ist bekannt, dass ein Mieter einer obdachlosen Person Zugang zum Haus gewährt und sich diese einen Schlafplatz eingerichtet hat.“ Dieser Bereich solle nun regelmäßig kontrolliert werden.

In einem aufgebrochenen Kellerraum stehen mehrere Stühle, eine Bank und ein Tisch. Auf der Erde liegen leere Getränkeflaschen und Zigarettenkippen. Mehrmals habe er dort Jugendliche gesehen, die Partys feiern, sagt Köhler. „Das sind alles Fremde, die nicht hier wohnen.“ Der Hausverwaltung ist hiervon anscheinend nichts bekannt. „Hinweise auf einen Partyraum liegen uns nicht vor“, sagt kfh-Sprecherin Sostmann.

Die Laatzener Stadtverwaltung sieht keine amtliche Handhabe dafür, die Zustände nachdrücklich zu verbessern. Da es sich um Privateigentum handle, sei nicht der kommunale Ordnungsdienst, sondern der Eigentümer verantwortlich, sagt Verwaltungssprecherin Sonja Westphal. „Sofern in den Kellergängen übernachtet und Partys gefeiert werden und Anwohnende dadurch erheblich gestört werden, können sie die Polizei verständigen“, rät sie. Beim Einsatz- und Streifendienstes der Polizei Laatzen heißt es wiederum auf Nachfrage, dass es aktuell keine verstärkten Einsätze in der Wohnscheibe gebe.

Ein weiteres Problem ist laut Köhler die Masse an Müll. Besonders schlimm sei es in den Kellern im Erdgeschoss. „Seit Januar liegen hier Hausmüllsäcke, die vor sich hin stinken“, berichtet der 69-Jährige. „Ein Wunder, dass die Ratten noch nicht im Haus sind.“ Er habe Fotos gemacht, die denselben Berg Hausmüll von Januar bis heute zeigten.

Laut kfh wird der Müll regelmäßig weggeschafft. „Unser Hausmeisterteam kümmert sich regelmäßig um die Entsorgung von Sperrmüll aus den Kellerräumen“, so schildert es Sostmann. Die Mitarbeiter seien montags bis freitags täglich dort im Einsatz.

Wegen der aufgebrochenen Türen kündigt die Unternehmenssprecherin eine baldige Reparatur an. Für die derzeit nicht schließbaren Feuerschutztüren in den Hauseingängen 3, 5 und 9 sei bereits eine Fachfirma beauftragt. „Die Schlösser werden in der kommenden Woche ausgetauscht, um unbefugten Zutritt zu verhindern.“ Auch sämtliche Haus- und Kellertüren würden überprüft und instandgesetzt.

Aber was geschieht über solche Reparaturen hinaus? „Die Stadtverwaltung steht im Austausch mit der Vermögensverwaltung wie auch mit der Hausverwaltung“, sagt Westphal.

Es sei über die Müllprobleme und den Sanierungsstau gesprochen worden. Nach Kenntnis der Stadt plane der Eigentümer eine Sanierung. „Eine Anpassung an den heutigen energetischen Standard soll sukzessive erfolgen“, berichtet die Stadtverwaltung aus den Gesprächen. Ein konkreter Zeitplan liege der Stadt aber nicht vor.

Die kfh bestätigt die Sanierungspläne, wird dabei aber nicht konkret: „Als Verwalter kann kfh wenig über die Sanierung sagen, aber laut unseres Wissens soll das Objekt saniert werden“, sagt Sostmann. Eine Sanierung hatte 2022 bereits die LEG angekündigt. Diese hatte das Unternehmen jedoch wegen der gestiegenen Bau- und Energiekosten wieder verworfen.





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