Heizt Laatzen künftig mit Wärme aus der Leine?
Leistung würde ausreichen, die gesamte Stadt zu versorgen. Eine Studie soll jetzt die Machbarkeit klären.

Die Leine bei Laatzen könnte künftig als Quelle für Heizwärme genutzt werden.Foto: Daniel Junker
Laatzen. Bei der Energiegewinnung an Flüssen denkt man zuerst an Wasserkraft – riesige Bauwerke wie der Hoover-Staudamm am US-Fluss Colorado und die Drei-Schluchten-Talsperre am Jangtsekiang in China sind prominente Beispiele. Mit deutlich weniger Aufwand und in kleinerem Maßstab lässt sich aber auch die Wärme von Flüssen nutzen: In Laatzen wird derzeit über Wärmepumpen an der Leine nachgedacht, mit der sich Tausende Haushalte beheizen ließen.

Tatsächlich ist das Potenzial riesig. Laut der kommunalen Wärmeplanung, die die Stadt vor Kurzem vorgestellt hat, liegt das theoretische Gesamtwärmepotenzial der Leine im Laatzener Bereich bei 3700 Gigawattstunden pro Jahr. Das entspricht mehr als dem Zehnfachen des Wärmebedarfs, den die Stadt im Jahr 2040 haben dürfte.

Gewinnen ließe sich zwar aus technischen Gründen nur ein Teil davon. Aber auch der würde ausreichen, um Laatzens Haushalte warm zu bekommen: Praxisbeispiele aus Deutschland zeigten, dass 10 bis 20 Prozent des theoretischen Potenzials auch technisch genutzt werden könnten, heißt es in dem Papier, das der Energieversorger Enercity im Auftrag der Stadt Laatzen erstellt hat. Bei 10 Prozent ließen sich 373 Gigawattstunden jährlich produzieren. „Damit könnte die Leine allein den Wärmebedarf der Kommune vollständig decken“, so die Aussage der Experten.

Tatsächlich würde eine solche Menge nie benötigt. Sollte eine solche Anlage entstehen, könnte diese lediglich diejenigen Haushalte und Betriebe in Laatzen versorgen, die an ein Nahwärmenetz angeschlossen werden, das stark ausgebaut werden soll. Enercity schätzt den zentralen Wärmebedarf bis 2040 auf 108 Gigawattstunden jährlich.

Das Grundprinzip der Technik besteht darin, dass ein Teil des Leinewassers abgepumpt und die darin enthaltene Energie über einen Wärmetauscher in das noch zu schaffendes Nahwärmenetz gespeist wird. Das dadurch abgekühlte Wasser fließt anschließend in die Leine zurück.

Entsteht also in den nächsten Jahren ein große Wärmepumpe an der Leine? „Technisch ist das machbar“, sagt Laatzens Klimaschutzmanager Georg Moxter. Allerdings gebe es eine Reihe von Hürden: Die Flächen entlang der Leine befinden sich im Landschaftsschutzgebiet, es gibt dort zudem Trinkwassergewinnungs- und Überschwemmungsgebiete. „Es ist genehmigungstechnisch anspruchsvoll“, so Moxter.

Von den Genehmigungen hängen die möglichen Standorte ab – und davon die damit verbundenen Kosten. Und: „Es ist vom Platz her nicht trivial“, sagt zudem Enercity-Kommunalmanager Aimo Wolniczak. Er verweist auf ein ähnliches Projekt am Kraftwerk Herrenhausen, wo der Energieversorger Ende 2026 mit dem Bau einer Flusswasserwärmepumpe beginnen wolle. Auf einer Fläche von 1300 Quadratmetern sollen künftig während der Heizperiode 218 Gigawattstunden Wärme erzeugt werden.

Bei der Entscheidung in Laatzen werde auch die Wirtschaftlichkeit eine Rolle spielen, ergänzt Wolniczak. Eine Studie müsse ergeben, welche Wärmequellen am wirtschaftlichsten zu bauen und zu betreiben sind. Infrage komme dabei auch oberflächennahe Erdwärme: Dabei werden Grün- oder Ackerflächen mit zentralen Sole-Wärmepumpen bestückt. Es gebe Beispiele in anderen Städten, wo dies auf Sportflächen bereits umgesetzt wird, so Wolniczak. Die Stadt Laatzen will nun in einer Machbarkeitsstudie die Möglichkeiten der Wärmegewinnung durch die Leine prüfen lassen. Basis dafür soll eine Studie der TU Braunschweig sein, die Flusswärmepumpen für bundesweit 70 Städte an Fließgewässern untersucht hat, wie Moxter berichtet. Die Region Hannover habe dies auch für die Regionskommunen entlang der Leine beauftragt. Sobald die Ergebnisse vorlägen, wolle die Stadt die Machbarkeitsstudie ausschreiben.

Erleichtert werden könnte das Projekt auch durch eine Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes, ergänzt Laatzens Stadtbaurat Hauke Schröder. Das Gesetz solle 2026 novelliert werden. Schröder erwartet, dass dabei mehr Spielräume für Flusswärmepumpen geschaffen werden.

Dass die Leine dabei künstlich abgekühlt wird, sieht Moxter als unproblematisch an. Auch in der Wärmeplanung heißt es, dass eine Temperaturabsenkung unter 3 Grad „nach aktuellem Stand der Wissenschaft als unkritisch“ anzusehen sei. Schließlich würde eine Abkühlung den Effekten entgegenwirken, die der Klimawandel verursache. Beim für Laatzen errechneten Potenzial läge die Absenkung bei unter 2 Grad. Der Strombedarf für den Betrieb der Wärmepumpen ließe sich laut Wärmeplanung mit Windrädern und Solaranlagen decken. Das Potenzial in Laatzen würde dafür ausreichen. In mehreren deutschen Städten werden Flusswärmepumpen bereits betrieben. Die größte Anlage steht in Mannheim, der Energieversorger MVV hat sie 2023 in Betrieb genommen. Mit der Wärme aus dem Rhein ließen sich nach Angaben des Unternehmens 3500 Haushalte beheizen. Auch in Städten wie Köln, Jena und Bamberg gibt es Pläne für größere Anlagen.



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