Familie Petersen haut gemeinsam auf die Pauke
Drei Generationen musizieren seit vielen Jahren beim Freien Fanfarenkorps
Alt-Laatzen. Für sie zählt insbesondere der Spaß– und nicht der Wettbewerb

Haben früh angefangen zu musizieren: Claudia und Jan Petersen im Alter von zehn und elf Jahren 1991 beim Osterfeuer in Wülfel.
Laatzen. Wenn Jan Petersen und sein Neffe Justin auf den Snaredrums loslegen, geht die Party richtig los. „Ich habe schon öfter gesehen, dass die Bühne zusammengebrochen ist, weil das Publikum so wild darauf getanzt hat“, sagt Jan Petersen, der gleich fünf Instrumente spielen kann: Gitarre, jede Art von Schlaginstrumenten, Klavier, Fanfare und Trompete. Und manchmal singt er auch – dann klingt er ein wenig wie Joe Cocker.

„Ich habe mir das alles autodidaktisch beigebracht“, sagt der 45-Jährige, der als Siebenjähriger mit dem Schlagzeug angefangen hat. „Davor habe ich Fußball gespielt, aber das war mir zu anstrengend“, sagt er lachend. „Ich habe lieber meine Eltern und meine Schwester Claudia bei ihren Auftritten auf Schützenfesten begleitet, da gab es immer Süßigkeiten.“ Die Familie Petersens teilt eine Leidenschaft: die für das Freie Fanfarenkorps (FFK) Alt-Laatzen. Drei Generationen machen dort mit.

Jan Petersens Neffen Justin (23) und Leon (21) – die Söhne seiner Schwester – haben die Musik anscheinend bereits im Mutterleib aufgenommen. Als Kleinkinder begannen sie dann richtig „mitzuspielen“.

„Mit drei Jahren habe ich das erste Mal auf die Pauke gehauen“, sagt Leon. „Meinen ersten Auftritt hatte ich mit vier Jahren als Sandmännchen verkleidet beim Laternenumzug in Sarstedt“, erinnert sich der Auszubildende zum Pflegefachmann, der mittlerweile alle Art von Schlaginstrumenten, E-Gitarre, E-Bass, Pauke und Ventilfanfare spielt. Außerdem singt er im Gospelchor Just Spirit und ist aktiv beim Beatboxen.

Sein Bruder Justin hat ebenfalls mit drei Jahren seine ersten Sticks und mit sechs seine erste Umhängetrommel bekommen. Heute spielt der Anlagenmechaniker bei Veranstaltungen gemeinsam mit seinem Onkel Jan wilde Snaredrum-Solos. Dabei steht bereits die vierte Generation in den Startlöchern: die 16-Jährige Xenia und der vierjährige Nathen. Sie sind auch schon bei vielen Auftritten dabei.

Begonnen hat das musikalische Leben der Familie mit Claudia Petersen. „Sie hat schon mit sechs Jahren angefangen, beim Fanfarenzug Grasdorf Musik zu machen“, berichtet ihr Vater Wolfgang Petersen, der seit Jahrzehnten Vereinsvorsitzender ist.

Eigentlich habe er nie geplant, einmal Musik zu machen, erzählt Petersen. „Aber da meine Frau und ich Claudia ohnehin immer zu den Veranstaltungen begleitet haben, dachten wir, wir könnten auch gleich mitspielen.“ Also lernte der Kraftfahrzeug-Elektriker, der ursprünglich aus Hannover-Ricklingen kommt, mit 36 Jahren Fanfare und Trompete zu spielen.

„Da niemand in der Lage war, mir das Spielen nach Noten beizubringen, habe ich mir das selber beigebracht“, sagt der 69-Jährige. Dazu hat er keine Noten, sondern Grifftabellen benutzt. Eine Methode, die die Mitglieder des Freien Fanfarenkorps heute noch anwenden. „Damit ist jeder in der Lage, nach etwa drei bis vier Wochen auch bei Veranstaltungen mitzuspielen“, sagt Wolfgang Petersen, der von allen „Chef“ genannt wird.

Heute spielt er als musikalischer Leiter nicht nur die „erste Geige“, sondern auch Fanfare, Trompete und Mellofon. Außerdem ist er für die Ausbildung der Bläser zuständig. Die Instrumente und Uniformen stellt das Freie Fanfarenkorps den Mitspielerinnen und -spielern kostenlos zur Verfügung. „Wir wollen es auch Menschen ermöglichen, die nicht viel Geld haben, Musik zu machen“, sagt Jan Petersen.

Gemeinsam mit seiner 2022 verstorbenen Frau Heike hatte Wolfgang Petersen 1991 das Freie Fanfarenkorps Alt-Laatzen („Die Blauen”) gegründet. Zuvor waren sie im Fanfarenzug Grasdorf aktiv, aus dem auch das Fanfaren-Corps Laatzen („Die Roten“) entstanden ist. „Als uns die Reparatur der Instrumente nicht mehr bezahlt worden ist, haben wir einen eigenen Verein gegründet“, erzählt Petersen.

Viele Jugendliche seien damals mit in den neuen Verein gekommen. Mittlerweile hat das FFK Alt-Laatzen etwa 30 Mitglieder, rund 20 davon spielen aktiv im Musikzug, und fast die Hälfte gehört zur Familie Petersen. Den Fanfarenzug Grasdorf gibt es nicht mehr.

„Wir sind keine Show-Band“, betont Jan Petersen. „Wir wollen nur, dass die Leute mit uns feiern.“ Daher sei das FFK auch „frei” und in keinem Dachverband Mitglied. An Wettbewerben nehmen die Musikerinnen und Musiker aus Prinzip nicht teil. „Einmal hat ein Zuschauer zu uns gesagt, wir seien ein undisziplinierter, Musik machender Haufen”, erzählt Jan Petersen. „Da habe ich geantwortet: Prima, dann haben wir alles erreicht, was wir wollten.“ Denn der Spaß stehe beim FFK stets im Vordergrund.

Dass das gut ankommt, zeigen nicht nur die Aufrufe der Videos in den sozialen Medien, die oft mehrere Zehntausend Klicks erzielen, sondern auch die Buchungsanfragen. „Für das Pfingstwochenende haben wir rund 100 Anfragen bekommen”, sagt Wolfgang Petersen. Aufgetreten seien sie dann aber – wie jedes Jahr – beim Schützenfest in Gleidingen.

„Wir haben viel zu viele Anfragen“, sagt Petersen senior. Diese kämen aus ganz Deutschland: im Frühjahr und Sommer für Schützen- und Dorffeste, im Herbst für Laternenumzüge, im Winter für Karnevalsveranstaltungen. Jedes Jahr sind die Musikerinnen und Musiker beim Karneval in Beckum im Münsterland dabei, ebenso wie beim Schützenfest in Hannover. Aber auch beim Handballspielen und im Vereinsheim von Hannover 96 haben sie schon mehrfach musiziert. Hinzu kommen private Feiern und Feste, für die das Korps gebucht werden kann. Vor einigen Jahren sei der Musikzug oft mehrmals in der Woche aufgetreten.

Dabei gibt es nie ein festes Programm. „Wir spielen immer das, was zur jeweiligen Stimmung passt“, sagt Jan Petersen. Die Kommunikation erfolge nur durch Handzeichen. „Wir können mehr als 100 Lieder spielen, von Verdi über Schlager, Rock und Pop bis hin zu Ballermann-Songs.“

Mittlerweile hat der Verein die Zahl der Auftritte reduziert. „Wir spielen nur noch etwa 30-mal im Jahr“, sagt der „Chef“. Denn die Veranstaltungen seien vor allem für die Trommler sehr kräftezehrend. „Das ist wie Hochleistungssport“, sagt Jan Petersen. „Nach den Auftritten tun mir meist dermaßen die Arme weh, dass nur heißes Duschen und Voltaren-Salbe helfen.“

Hauptberuflich Musik zu machen ist für die Petersens nie eine Option gewesen. „Die Musik ist für mich mein Ruhepol“, sagt Jan Petersen, der als energiewirtschaftlicher Berater für mittelständische Unternehmen arbeitet und mit 42 Jahren noch Betriebswirtschaft studiert hat.

Zu Meinungsverschiedenheiten komme es selten, sagt Jan Petersen, auch wenn sich die Familienmitglieder sehr häufig für ihre gemeinsamen Proben und Auftritte treffen. Im Gegenteil: Das familiäre Verhältnis komme der Musik zugute: „Wir verstehen uns alle blind.“







Druckansicht