„Hier bin ich ein anderer Mensch geworden“
Der Bundesfreiwillige Jonathan Hauschild (19) erzählt, wie ihn die Arbeit bei der Laatzener Tafel verändert hat

„Leuten helfen zu können, ist erfüllend“: Jonathan Hauschild engagiert sich seit fast einem Jahr als Bundesfreiwilliger bei der Laatzener Tafel.Foto: Astrid Köhler
Laatzen. Um 6.30 Uhr bereits das Haus verlassen und nach Laatzen fahren? Verglichen mit seiner Schulzeit sei das schon eine große Umstellung, sagt Johanthan Hauschild. Seit August 2024 arbeitet der 19-jährige Hannoveraner als Bundesfreiwilliger (Bufdi) bei der Laatzener Tafel in Grasdorf. Und für ihn geht es längst nicht nur darum, nun früher aufstehen zu müssen: Die Arbeit und die Menschen bei der Tafel, sagt der Abiturient des Bismarckgymnasiums, hätten ihn verändert.

Er habe nicht direkt von der Schule zur Uni wechseln, sondern anderweitig Erfahrungen sammeln wollen, erklärt der junge Mann. „Ich wollte etwas Soziales machen – praxisorientiert.“ Er beschäftigte sich darum näher mit dem Bundesfreiwilligendienst, suchte potenzielle Arbeitgeber heraus. Nach dem Schnuppertag bei der Laatzener Tafel war schnell klar: „Das macht Spaß, das will ich machen.“

Die Aufgaben des Bufdis sind vielseitig. Der 19-Jährige arbeitet bei der Tafel wochentags sowohl in der Ausgabestelle – mit Warensortierung, Dienst am Tresen, im Büro und an der Kasse – als auch im Fahrdienst. Durchschnittlich 18 Supermärkte und weitere Bezugsadressen für Lebensmittel steuert das Team an Abholtagen an. Wer wo etwas anzubieten hat, ist in einem Tourenplan ausgearbeitet. Der Zettel steckt vorbereitet im Klemmbrett, das vor der Abfahrt gegen 7 Uhr nur noch gegriffen werden muss, um dort nach und nach die jeweils eingesammelten Mengen einzutragen.

Üblicherweise kämen 90 bis 150 Kisten zusammen, berichtet Hauschild: „Montag ist der warenstärkste Tag.“ Dann sortieren die Märkte das Liegengebliebene vom Wochenende aus. Der Hannoveraner hilft als Beifahrer, das Tafel-Auto bei den Zwischenstopps und nach der letzten Tour zu be- und entladen. Danach kümmert er sich mit darum, die Waren in Regalen, Kühlraum oder Gefrierschrank zu verstauen.

In den vergangenen elf Monaten habe er eine neue Sichtweise auf die Dinge bekommen, sagt der angehende Jurastudent. „Ich habe einen anderen Blickwinkel auf Lebensmittel, die Gesellschaft und Armut bekommen.“ Was auf der einen Seite alles zu viel ist und drohe im Müll zu landen, und was auf der anderen Seite benötigt werde, sei ihm in dem Umfang bisher nicht so klar gewesen. „Es ist gut, die eigene Blase zu verlassen.“

Es lohne, sich auf andere Lebenswirklichkeiten einzulassen, meint der 19-Jährige, der in seiner Freizeit Horn spielt und im Knabenchor Hannover singt. „Ich glaube, dass ein soziales Jahr den meisten Menschen in meinem Alter guttun und jemanden stark weiterentwickeln kann.“ Freiwillige soziale Einsätze zur Pflicht zu machen, sieht er aber – ähnlich wie die Diskussion um die Wehrpflicht – kritisch.

Die Laatzener Tafel zahle ihm monatlich 250 Euro Taschengeld, sagt Hauschild. Das sei nicht viel Geld, und andere zahlten auch mehr, wie er bei einer bundesweiten Bufdi-Fortbildung der Tafel erfahren habe. Weil er aber noch Zuhause wohnt und zu seiner Arbeitsstätte mit dem Fahrrad fährt, komme er mit der Summe klar. Primär gehe es ihm nicht ums Geldverdienen, sondern um etwas anderes: „Leuten helfen zu können, denen es nicht so gut geht, das ist erfüllend und mir total viel wert.“

Die Tafel-Vorsitzende Dietlind Osterkamp ist voll des Lobes über den zweiten Bundesfreiwilligen nach fünf Jahren Pause. Jonathan Hauschild sei sehr diszipliniert, empathisch – und er sehe die Arbeit. Mit seiner offenen Art bereichere er das Team der Helfer und Helferinnen, von denen er zurzeit der Jüngste ist. Die Älteste ist über 80 Jahre alt. Die Vorsitzende der Laatzener Tafel hofft, dass sich nach dem Abschied ihres Bufdis ein neuer Freiwilliger findet. Man sei offen für Gespräche.

Wie es für Jonathan Hauschild weitergeht? Er habe sich für Jura eingeschrieben und wolle nach dem Sommer nach Göttingen ziehen, kündigt er an. Zunächst aber steht der Urlaub mit seiner Freundin und deren Familie an – in der Normandie.

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