Gegen 6.30 Uhr aufstehen, packen und bis zum Abend bei Wind und Wetter mit kurzen Pausen laufen. Das war die Devise der diesjährigen Herausforderungs-Tour, auf die AG-Leiter Gerrit Welzel alle vorbereitet hatte. Als Ziel lockte die Insel Norderney, Startpunkt war der Bahnhof im ostfriesischen Leer.
Die Tagesetappen waren bis zu 30 Kilometer lang und wurden mit gedruckten Karten erlaufen. Das Handy einzuschalten, war tabu. Anfangs hätten sie noch mehr miteinander gesprochen, berichtet die 16-jährige Ida. Im Laufe der Zeit seien den Sechs- bis Elftklässlern aber die Themen ausgegangen. „Wir haben uns dann Lieder überlegt und oft gesungen“, sagt die Ingeln-Oesselserin.
Auch eine kleine Panne bei einer Pause gehörte dazu. Ein Mitschüler habe an einem Entwässerungsgraben seine Füße erfrischen wollen und dabei versehentlich einen Schuh ins Wasser gestoßen. „Der Graben war verhältnismäßig tief“, so Welzel. Gemeinschaftlich gelang es aber, den Schuh herauszufischen.
Ersatzkleidung gab es nur ausgewählt. Und doch summierte sich das Gepäck, zu dem auch Zeltausrüstung gehörte. Der 13-jährige Paul schleppte rund zehn Kilogramm mit sich herum. Nach Einkäufen kamen noch Proviant und Getränke dazu.Zehn Euro standen den Schülerinnen und Schülern täglich zur Verfügung. Sie hätten häufig Instant-Nudeln gegessen, berichten die Jugendlichen.
Zwar blieb die Gruppe auf ihrer Wanderung stets zusammen. Für Notfälle hätten aber alle ein Handy dabei gehabt, ebenso einen Zettel mit Kontaktadressen, berichtet Welzel. Die Geräte sollten jedoch ausgeschaltet bleiben und steckten zudem in versiegelten Umschlägen.
„Für mich war das kein Problem“, so Paul. Wie der 13-Jährige, Ida und Marceli bewältigte der Großteil auch diese Challenge. Nur vier Jugendliche seien zwischenzeitlich online gewesen, ergänzt der AG-Leiter. „Die konnten nicht ohne Social Media.“
Spannend war die tägliche Suche nach Schlafplätzen. „Wir haben bei Kirchen geklopft und bei Pfarrheimen geklingelt“, erzählt Ida. Die erste und dritte Nacht fanden sie in Gemeindehäusern Obdach. „Die haben uns sehr gern aufgenommen.“ Ihre Hintergrundgeschichte machte allgemein Eindruck. Am Dienstagabend in Jennelt durften sie ihre Isomatten und Schlafsäcke sogar in der Kirche ausrollen, berichten die Teilnehmer: „Vor dem Altar, das war abgefahren.“
Weniger Glück hatten sie am vierten Abend, nach ihrem Besuch auf Norderney mit zehn-Kilometer-Inselwanderung im Regen. Bei der Kirche in Norddeich trafen sie niemanden an, und bei der Jugendherberge erhielten sie eine doppelte Absage. Weder durften sie ihre mitgeschleppten Zelte aufbauen – „Campen verboten“ hieß es dort – noch gab es anderweitig Platz. Da ihr Zug am Freitag schon um 4.30 Uhr abfuhr, entschieden sie sich auf dem Bahnsteig Norddeich-Mole zu nächtigen.Die Wassergeräusche und der tiefschwarze Himmel waren außergewöhnlich, erinnert sich Marceli. Ida wiederum tat in der Nacht wegen des Lichtes am Bahnsteig kaum ein Auge zu. Die beiden erwachsenen Betreuer hielten abwechselnd Wache, ehe sie die Gruppe weckten und den Rückweg antraten.Wer mit so viel Ungewissheit unterwegs sei, mache besondere Erfahrungen, so das Fazit von Co-Betreuerin Hannah Henze, für die es bereits die zweite Herausforderungs-Tour war: „Das schärft den Blick für das Wesentliche und macht achtsam für den Moment.“
Ob der Marsch zur Nordsee die Teilnehmenden verändert hat? „Ich habe jetzt mehr Ausdauer“, sagt Paul, der zwischenzeitlich kaum mehr gehen konnte, aber durchhielt. Schmerzen seien mitunter nur mental, sagt Marceli, der einen Tipp hat: „Nicht aufgeben – weitergehen.“ Das gelte auch für andere Situationen, in denen Menschen an ihre Grenzen stoßen.
„Es ist ein cooles Gefühl, wenn man es geschafft hat“, sagt Ida, die bisher bei allen drei Herausforderungs-Touren dabei war. Allerdings sei Wille und Ehrgeiz erforderlich, um die Strapazen durchzuhalten.Der AG-Leiter und Initiator Welzel will wie seit nun drei Jahren üblich auch nach diesen Sommerferien wieder eine Herausforderungs-AG anbieten. Von der Tour zur Nordsee hat er ein Video gedreht. Dieses werde im August auf der Internetseite der AES veröffentlicht, auf der auch schon das Video des Vorjahres zu sehen ist.